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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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neben dem Wagen stampfte enttäuscht mit einem Fuß auf den Boden.
    »Verdammte Scheiße«, sagte er. Er kniff die Augen zusammen. »Unser Henker ist zu fett. Wird Zeit, dass wir uns einen holen, der ein bisschen gelenkiger ist.«
    »Dieses Kloster voller Geister …?«, fragte Cyprian vorsichtig.
    Der Mann deutete vage nach Südosten. »Nur noch ein Steinhaufen in der Landschaft. Es heißt, sie hätten die Lepra dort. Das spricht gegen Geister, oder? Schon mal einen Geist gesehen, dem die Nase aus dem Gesicht fällt?«
    »Nur einen, der den Kopf unterm Arm trug«, sagte Cyprian.
    Der Mann starrte ihn verblüfft an. Dann begann er zu wiehern. »Kopf unterm Arm? Hervorragend!« Er klatschte sich auf die Schenkel. Cyprian verzog das Gesicht zu einem Lächeln aus Tonscherben.
    »Sie kennen sich gut aus«, sagte er.
    Der Mann wischte sich die Tränen aus dem Augenwinkel. »Ich bin der Gerichtsschreiber«, sagte er glucksend. »Wenn ihr in die Stadt wollt, ich kann euch eine Herberge empfehlen.«
    »Nein, wir müssen weiter.«
    »Ah ja. Na, keine Sorge. Wir hängen heute keine Fremden mehr auf.«
    »Wir werden versuchen, morgen nicht da zu sein«, versprach Cyprian.
    Der Mann wieherte aufs Neue – eine Frohnatur. Cyprian und Andrej wechselten einen verstohlenen Blick.
    »Warum haben die Mönche ihr altes Kloster nicht von Braunau aus wiederaufgebaut?«, fragte Andrej.
    »O Mann, weil’s zu weit weg ist! Für so ’nen Sandalenschlapper mindestens drei Tage Fußmarsch! Von Podlaschitz aus. Von hier aus vielleicht eineinhalb. Die Straßen sind besser.«
    »Und sie sind alle dorthin ausgewandert?«
    »So heißt’s, oder nicht? Mit Mönch und Maus und dem Klosterschatz. Was immer die Kerle für einen Schatz hatten. Na ja, groß genug soll das Kloster seinerzeit ja gewesen sein. Wahrscheinlich war’s ’ne Reliquie. Wir haben in unserer Kirche übrigens die Haut des heiligen Bartholomäus. In Rom haben sie seine Gebeine, hab ich gehört, und in Frankfurt seine Hirnschale, aber die Haut, die man ihm abgezogen hat, haben wir. Solltet ihr sehen. Sieht allerdings scheußlich aus und wie irgendwas, wenn ich ehrlich sein will.«
    »Die Versuchung ist groß«, sagte Cyprian. »Vielen Dank.«
    »Und ihr wollt garantiert nicht bleiben? Die Familie des Schusters hat ein Mahl gerichtet. Ich würde mich für euch verbürgen.«
    »Zu gütig.«
    Der Mann winkte ihnen zu und lief halb, halb schlitterte er durch den Regen und den Morast zum Galgen zurück, bei dem die Zuschauerschar bereits schütter geworden war. Weiter vorn an der Straße pilgerten sie von der Hinrichtungsstätte zurück in die Stadt. Cyprian wischte sich den Regen aus dem Gesicht und musterte Andrej. Dessen Miene war undeutbar.
    »Was für einen Vorsprung haben die Kerle deiner Meinung nach?«
    »Wenn sie zu Fuß sind, einen halben Tag. Wenn sie es geschafft haben, irgendwo Pferde oder einen Esel oder wie wir einen Wagen zu bekommen, immer noch einen ganzen.«
    »Du bist mit deinem Vater so viel rumgekommen«, sagte Cyprian. »Braunau?«
    Andrej nickte verbissen.
    12
    Am Eingang zu dem engen Platz ließ Bischof Melchior den Wagen anhalten. Der Geruch nach nassem Rauch drückte zur Fensteröffnung herein. Die Lücke, die zuvor die Firma Wiegant & Wilfing ausgefüllt hatte, sah aus wie das faule Loch, aus dem ein kaputter Zahn entfernt worden war. Der Bischof musterte die Szenerie ruhig. Die Abenddämmerung machte sich bereits bemerkbar, es war nicht mehr weit bis zum Vesperläuten, und entsprechend viele Neugierige drängten sich vor dem Schutthaufen. Beteiligte und Unbeteiligte hatten gleichermaßen ihre Zuhörer um sich versammelt und gaben eine Schilderung der Ereignisse zum Besten; Letztere unterschieden sich von Ersteren nur durch ihre eindrücklicheren Gesten. Ansonsten war die Menge an Erfundenem bei beiden gleich. Melchior Khlesl lauschte den Wortfetzen, die vom nächststehenden Märchenerzähler zu ihm drangen. Man hätte es ihm nicht angesehen, aber sein Herz war voller Angst. Wo waren die Wiegants? Die Wilfings? Wo war Cyprian? Er warf einen Blick zu seinem stummen Passagier und schüttelte ratlos den Kopf.
    Dann hörte er das Kinderweinen und sah eine Frau mit einem Bündel im Arm durch die Menge eilen. Ihr auf den Fersen folgte eine zweite Frau mit Rußschmieren im Gesicht und einem völlig ruinierten Kleid, die Anweisungen herunterratterte wie ein Feldwebel vor dem großen Angriff. Melchior öffnete den Verschlag des Wagens und kletterte

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