Die Teufelsbibel
das Äquivalent dafür, zuerst einen Korb zu holen, wenn man Eier ins Haus tragen wollte, anstatt sie auf den Armen zu balancieren, damit wie eine Schnecke über den Hof zu kriechen und die Hälfte zu verlieren. Nicht, dass es ihn keine Kraft gekostet hätte, seine Ungeduld zu überwinden.
Er spürte Andrejs Seitenblick.
»Es geht dem Kleinen gut«, sagte er zum hundertsten Mal. »Agnes’ Mutter ist eine Megäre, aber was sie sich vorgenommen hat, das tut sie hundertprozentig.«
Der Sonnenaufgang färbte grellrosafarbene Bäuche in die tief hängenden Wolken. Das Farbenspiel kündigte weiteres schlechtes Wetter an, aber es sah schön aus. Andrej lehnte sich zurück und blinzelte in das Licht. Cyprian sah eine Träne über seine Wange laufen und wusste, dass sein Gefährte daran dachte, dass seine Geliebte diesen Sonnenaufgang nicht sehen würde. Er schnalzte mit den Zügeln und hoffte, dass es die Pferde animierte, schneller zu laufen.
»Wir müssten bald in der Nähe von Neuenburg sein«, sagte Andrej.
Als hätten sie darauf gewartet, tauchte eine Gruppe von Männern neben der Straße auf. Sie winkten der Kutsche. Cyprian sah die erdfarbenen Kittel von Bauern und die buntere Kleidung von Soldaten. Die Männer zogen eine lockere Kette über die Straße. Cyprian und Andrej wechselten einen Blick. Andrej zuckte mit den Schultern. Cyprian zog an den Zügeln.
Ein längeres Gespräch zwischen Andrej und einem der Soldaten folgte. Cyprian brannte vor Ungeduld. Einmal wandte sich Andrej ihm zu, und Cyprian erkannte mit einer Art Schock, dass sein Begleiter seine Erregung nur mühsam unterdrückte. Die Soldaten öffneten den Verschlag, blickten in den Wagen und legten sich auf den Boden, um unter die Aufhängung zu spähen. Cyprian verfolgte ihr Treiben argwöhnisch.Er sah auf und begegnete dem Blick eines Bauern. Seine Augen waren rotgeweint. In den Händen hielt er einen Prügel, mit dem sich ein Rhinozeros hätte totschlagen lassen. Der Prügel bog sich unter den wringenden Händen des Mannes.
»Was ist hier los?«, fragte Cyprian aus dem Mundwinkel.
Die Soldaten rappelten sich wieder auf und nickten ihnen zu. Cyprian trieb die Pferde an. Er hob die Hand und winkte den Männern zu, die beiseitetraten. Finstere Blicke trafen ihn. Keine einzige Hand erwiderte den Gruß.
»Ihr mich auch«, murmelte Cyprian.
Andrej holte Atem. »Wir sind auf der richtigen Fährte«, sagte er.
»Haben dir das diese Typen erzählt?«
Andrej wandte sich um und spähte über den Wagenkasten hinweg. Cyprian tat es ihm gleich. Die Männer waren verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Cyprian machte schmale Augen.
»Auf wen lauern sie?«
»Hast du den Mann mit dem Prügel gesehen?«
Cyprian nickte.
»Gestern Abend ist seine Frau im Kindbett gestorben. Gestern Morgen ist das Kind gestorben, das sie zur Welt gebracht hat. Davor hat man im Wald oberhalb ihres Weilers seine Schwägerin gefunden – erschlagen. Und während sie sie nach Hause trugen, brachten Reisende einen weiteren Leichnam, den sie neben der Straße gefunden hatten – seinen ältesten Sohn.«
Cyprian starrte Andrej an. Andrejs Kiefermuskeln mahlten.
»Vor einigen Tagen zogen drei alte Männer aus dem Weiler einen Mönch aus einem Dornbusch. Der Mönch sah übel aus und erzählte etwas von einem Hirsch, dem er begegnet sei. Tatsächlich fanden sie die Leiche der Schwägerin bei einem Baum direkt hinter der Stelle, an der sie auf den merkwürdigen Mönch gestoßen waren.«
Cyprian starrte ihn weiterhin an.
»Der Mönch trug eine schwarze Kutte und war klein und mager«, sagte Andrej.
»Wir sind auf der falschen Spur«, sagte Cyprian. »Wenn die Mistkerle mit Agnes hier entlanggekommen wären, wären sie in die Straßensperre gelaufen.«
»Nein. Die Straßensperre gibt es erst seit heute im Morgengrauen. Wir waren ihre erste Beute. Der Rat in Neuenburg hat schnell reagiert und den Bauern die Soldaten zur Verstärkung geschickt, dennoch hat es bis heute Morgen gedauert, bis sie sich organisiert hatten.«
»Die Mönche sind aber noch in der Nacht hier vorbeigekommen.«
Andrej nickte.
»Ist das eine Theorie, oder bist du dir sicher?«
»Ich folge jederzeit einem besseren Vorschlag.«
Cyprian wandte sich erneut um und starrte nach hinten, wo die Straße aus dem Grau des frühen Morgens führte. Er setzte sich wieder zurecht und schnalzte mit den Zügeln. »Hüah, ihr verdammten Schnecken!«
11
Vor Kolin gab es einen Regenschauer. Der Schauer hatte eine
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