Die Teufelsbibel
mal«, flüsterte Cyprian. »Was soll’s!«
Er richtete sich auf und spazierte aus seiner Deckung heraus, laut in die Hände klatschend. »Zeit zum Aufstehen, Brüder!«
Die eine der Gestalten zuckte zusammen und ächzte. Die andere lag ganz still. Andrej hastete hinter seinem Felsen hervor. Cyprian deutete auf den halb erwachenden Mann unter seiner Decke, dann warf er sich auf den anderen, riss ihm die Decke weg und packte ihn an der Gurgel. Er hörte das Gerangel von Andrejs Seite des Lagers, noch während er versuchte zu verstehen, was er sah.
»Jemand hat uns die Arbeit abgenommen«, sagte Andrej.
Wer immer es gewesen war, hatte die beiden Mönche gefesselt und vermutlich niederknien lassen. Dann waren Prügel in Aktion getreten und hatten Schädel eingeschlagen. Der Größere der beiden war tot und starrte mit hervorgetretenen Augen gleichgültig zu Cyprian hoch. Cyprian versuchte nicht zu genau zu den Stellen hinzusehen, an denen der Kopf des Mannes merkwürdig eingedrückt war. Er rappelte sich auf und zog ihm die Decke wieder über das Gesicht. Seine Hände waren fühllos.
Andrej hatte die Decke von dem anderen Mönch weggezogen und fummelte an seinen Fesseln herum. Der Mann atmete pfeifend. Seine Augen waren geschlossen. Ab und zu zuckte und stöhnte er. Blut war aus seiner Nase geronnen, aus seinen Ohren und aus den Augenwinkeln. Es sah aus, als habe er blutige Tränen geweint. Sein Gesicht war eine Landschaft aus erstarrten Blutrinnsalen. Andrej fluchte und zerrte an den strammen Fesseln um Leibesmitte und Beine. Der Mönch tat einen tiefen, krächzenden Atemzug.
»Lass es gut sein«, sagte Cyprian.
»Ich will ihm wenigstens die Fesseln aufmachen, um es ihm zu erleichtern.«
»Zu spät«, sagte Cyprian.
Der Atemstoß entwich langsam und blubbernd dem halb offenen Mund des Mönchs. Sein Körper schien irgendwie flacher zu werden, als fließe er halb in den Boden hinein. Er atmete nicht wieder ein. Cyprian betrachtete ihn.
»Da ich nicht annehme, dass Gott sich eingeschaltet hat, hat jemand anderer Gerechtigkeit geübt«, sagte er heiser. »Wo ist Agnes?«
Die beiden Toten antworteten nicht. Cyprian sah sich selbst, wie er die stillen Körper mit den Füßen traktierte und seine Frustration herausbrüllte, und schwitzte, weil es ihm nur mit Mühe gelang, das Bild nicht Wirklichkeit werden zu lassen.
Andrej stand auf und zog die Decke von dem ersten Mönch. Er sah nachdenklich auf ihn hinab. Dann ging er zu dem zweiten zurück und betrachtete auch ihn.
Die staubigen schwarzen Kutten machten beide Körper bereits jetzt den Schatten gleich. Cyprian biss die Zähne zusammen, bis ihm der Kiefer wehtat. Er sah sich um. Die Vögel machten Lärm, als gäbe es etwas zu feiern. So wie er vorhin den Impuls unterdrückt hatte, die Toten zu schänden, unterdrückte Cyprian nun den Impuls, sich vor Panik die Haare zuraufen. Was hatte er vorhin gedacht? Agnes könne in irgendeiner Felsspalte versteckt sein? Vielleicht war sie es, lediglich genauso tot wie ihre beiden Entführer. Und wenn das nicht – vielleicht war sie nur fünfhundert Schritte weiter in Gewalt der Wegelagerer, die die Mönche erschlagen hatten und jetzt die Reihenfolge auslosten, in der sie sie vergewaltigen würden. In diesem Irrgarten aus Felstürmen waren fünfhundert Schritte so gut wie fünfhundert Meilen. Im letzten Dorf hatte man sie davor gewarnt, dass sich jedwedes Gesindel die Felsenstädte als Unterschlupf gesucht hatte. Cyprian drehte sich einmal um sich selbst. Sein Kopf dröhnte vom Vogelsang.
Andrej betrachtete einen runden Felsen in der Nähe. Dann ging er zu ihm hinüber, bückte sich und begann, an etwas zu zerren, das an der Unterseite des Felsens eingeklemmt war. Er zog ein schmutziges weißes Stoffbündel heraus und nach einiger Mühe ein zweites. Mit seinem Fund kehrte er zu den Toten zurück.
»Das sind nicht die Kerle, hinter denen wir her waren«, sagte er.
Cyprian versuchte zu verstehen, was Andrej gesagt hatte.
»Die Leute, die wir gefragt haben, haben immer wieder von drei Mönchen gesprochen«, erklärte Andrej.
»Der dritte Mönch war Agnes.« Cyprians Stimme hörte sich bedrohlich an.
»Nein, die Hinweise auf Agnes waren die auf eine verhüllte Gestalt. Außerdem – sieh dir die Hände und Füße der beiden an. Die sind nicht seit Tagen unterwegs gewesen.«
Cyprian musterte seinen Gefährten unverwandt. Andrej gab den Blick zurück. Schließlich hob er eines der Stoffbündel, schüttelte es mit einer
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