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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Gefahr. Pater Xavier fragte sich müßig, ob Pater Hernando Lunte gerochen und daher mitten in der Nacht seine Gefährten verlassen hatte oder ob es vereinbart gewesen war,dass er sie in diesem Felslabyrinth zurückließ, bis er seine eigene Aufgabe erfüllt hatte. Nun, die beiden Dominikaner im Wald konnten die Frage definitiv nicht mehr beantworten, und wie alles andere spielte auch sie keine Rolle mehr.
    Was eine Rolle spielte, war das Buch, von dessen Energie der gesamte Klosterfelsen unter Pater Xaviers Füßen zu beben schien. Mit seinem Verstand wusste er, dass es nicht viele Menschen gab, die dieses Beben spürten; in seinem Herzen fühlte er Unglauben, dass diese Macht nicht jedem, der in ihrer Nähe war, die Haare zu Berge stehen ließ. Er hätte am liebsten die Sandalen ausgezogen, um die Kraft mit bloßen Füßen aus dem Fels zu saugen.
    Pater Xavier war glücklich.
    16
    Sie trennten sich , als der enge Spalt sich vor ihnen auftat – ein trichterförmig zulaufender Einschnitt zwischen grauschwarzen Felsen, deren Rillen und Muster auf die Öffnung des Spalts zuliefen und sie förmlich hineinzusaugen schienen. Ein Eishauch wehte daraus hervor. Es sah aus, als habe eine riesige Axt sich von oben her in einen kompakten Felsblock gegraben, der die Größe eines kleinen Dorfes hatte. Kein Laut kam aus dem Spalt, noch nicht einmal das allgegenwärtige Singen der Vögel. Ein Geruch nach Moder und Verfall verdrängte den Duft warm werdenden Harzes und langsam zerfallender Nadeln auf Waldboden.
    »Ich geh hinein, du gehst außen rum«, sagte Cyprian.
    »Was, wenn das ein Unterschlupf von Wegelagerern ist?«
    »Wenn sie Agnes haben, dann gnade ihnen Gott.«
    Andrej nickte. Sie hatten geflüstert. Cyprians einzige Hoffnung in diesem Irrgarten war, Geräusche zu hören. Die Gesetzlosen, die sich hier verbargen und die die beiden Möncheerschlagen und Agnes mitgenommen hatten, würden sich sicher fühlen. Sie würden ihre Beute feiern. Gelächter und Gegröle würde zu hören sein. Cyprian verdrängte den Gedanken daran, dass die Zeit des Feierns womöglich bereits zu Ende und von der Zeit der Konsumation der Beute abgelöst worden war und welche Geräusche ihn wohl dann führen würden. Er gönnte Andrej keinen Blick mehr, sondern drang lautlos in den Spalt ein.
    Das Tageslicht verkümmerte hier zu einem bloßen Dämmer. Der Boden war frei von jedem Bewuchs – feiner, feuchter Sand. Weiter oben, wo noch genügend Licht hinkam, hatte sich Moos festgesetzt und hing in langen, bleichen Bärten in die Unterwelt herunter, durch die sich Cyprian bewegte. Wasser tropfte herab. Zu Füßen der Wand links und rechts lief ein Bach, schlängelte sich über den Weg und flutete ihn fast ständig, so dass Cyprian es aufgab, trockene Füße behalten zu wollen. Er starrte auf den Boden, doch das beständig rinnende Wasser hatte alle Spuren, die vielleicht jemand vor ihm gemacht haben konnte, ausgelöscht. Er fühlte sich wie der erste Mensch, der hier eindrang. Die Kälte nahm zu, je weiter er vorankam. Als er vorsichtig über die Schulter blickte, war der helle Spalt des Eingangs bereits verschwunden. Er schob sich weiter, teilweise seitlich, weil seine Schultern links und rechts die Wände berührten. Ihm war bewusst, dass er einerseits ein hervorragendes Ziel für einen Bogenschützen abgab, andererseits hätte ein Bogenschütze kaum Platz gefunden, seine Waffe zu spannen, und die vielen Kurven und Biegungen, die der Pfad nahm, hätten einen Treffer eher zufällig erscheinen lassen. Er arbeitete sich voran, den Rücken an die rechte Wand gepresst, die rechte Faust geballt, bereit, schneller zuzuschlagen als jeder Mensch, den er hier drin überraschte. Falls jemand glaubte, es in dieser Enge im Zweikampf mit ihm aufnehmen zu wollen, würde er ihm zeigen, dass es so etwas wie Selbstüberschätzung gab.
    Noch immer hörte er keinen Laut, so angestrengt er auch lauschte. Er wagte fast nicht zu atmen. Von allen Vorgängen draußen in der Welt, von Sonne und Frühlingswärme war er abgeschnitten. Etwas knirschte sanft und umhüllte seinen Fuß mit kalter Feuchtigkeit. Er starrte nach unten – Schnee. Hier führte der Winter noch ein erfolgreiches Rückzugsgefecht. So wie es aussah, konnte dies sehr gut der Ort des jährlichen letzten Gefechts von Väterchen Frost sein, der Platz, an den er sich zurückzog und Kräfte sammelte für die neue Saison; seine Festung aus Fels und Eis, in der er niemals besiegt wurde. An den Enden der

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