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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Selbstmitleid, das sie in ihren eigenen Worten spürte, ekelte sie und ließ zugleich die Tränen von neuem fließen.
    Er zuckte mit den Schultern und ließ sich Zeit mit der Antwort. »So macht man das unter Freunden«, sagte er schließlich.
    »Ich bin es nicht wert.«
    Er schwieg. Obwohl sie wusste, dass er ihre Aussage für so absurd hielt, dass sie nicht einmal einer Antwort bedurfte, hasste sie ihn für den Bruchteil eines Herzschlags dafür, dass er nicht sagte: Du bist jede Anstrengung in der Welt wert.
    »Weißt du, was ich heute erfahren habe?«, begann sie, entschlossen, sich selbst den Todesstoß zu versetzen.
    »Ich weiß, dass wir jetzt wirklich zurückgehen sollten«, sagte er.
    Sein Tonfall ließ sie aufblicken. Seine Augen waren wieder zusammengekniffen. Zum ersten Mal erkannte sie, dass auf der Straße, die von der Brücke weg in einem Bogen zwischen die elenden Häuser führte, Dinge zwischen dunklen Wasserpfützen lagen. Sie sah genauer hin: Tonscherben, ein Schuh, goldschimmernde Teile, die wie ein zerschmetterter Baldachin aussahen, Kleidungsfetzen, Steine, jede Menge Steine, faustgroß die meisten, als sei auf einer kurzen Strecke der Straße ein merkwürdiger Hagel niedergegangen. Mit einem Schock wurde ihr klar, dass die Pfützen nicht aus Wasser, sondern aus Blut waren, und als hätte ein Hexentrick ein paar der Steine plötzlich mit einem Ruck direkt vor ihre Augen geholt, erkannte sie, dass an ihnen ebenfalls Blut klebte und Haare. –
    Jenseits des Straßenabschnitts stand eine Handvoll Gestalten. Sie wogen Steine in den Händen. Die Kälte des frühen März wurde durch eine ganz andere Kälte ersetzt, die in sie hineinschoss, und das Selbstmitleid wich schlagartig der Angst.
    »Cyprian«, sagte sie mit kranker Stimme.
    Cyprian Khlesl richtete sich auf. »Steh einfach auf und komm mit mir«, sagte er. »Wir gehen zurück nach Wien.«
    »Wo sind wir hier überhaupt?«
    »Das ist die Pfahlsiedlung entlang der Wien«, sagte er. Er sah ihr dabei zu, wie sie ungeschickt auf die Beine kam. »Dort drüben ist der alte Gottesacker vor dem Kärntnertor. Die Straße über die Brücke führt weiter zur alten Richtstätte undzur Spinnerin am Kreuz.« Er blickte zu den Gestalten auf der Straße hinüber, die ihre Steine wogen und sich über die ganze Breite der Spur verteilt hatten. Sie folgte seinem Blick und machte ein kleines Geräusch in der Kehle. Die Angst ließ ihre Beine einknicken. Sie stolperte, und er packte kurz ihren Ellenbogen, bis sie ihres Schritts wieder sicher war. »Du bist ganz schön weit gekommen.«
    »Diese Leute da vorn – was wollen die, und was ist hier passiert?«
    »Kennst du die Geschichte von der Spinnerin am Kreuz? Sie war die Braut eines Ritters, der sich dem Pilgerheer angeschlossen hatte, das Jerusalem befreien wollte. Sie wartete auf ihn, Monat um Monat, und als die Nachrichten aus dem Heiligen Land immer dramatischer wurden, legte sie ein Gelübde ab: sie würde jeden Tag an der großen Straßenkreuzung bei dem alten Holzkreuz sitzen, Wolle spinnen und zu Decken verarbeiten, die sie allen Heimkehrern vom Pilgerzug schenken würde, bis ihr Geliebter wieder zu Hause wäre. Statt seiner selbst kam jedoch nach langer Wartezeit einer seiner Waffengefährten und berichtete ihr, ihr Geliebter sei vom Feind gefangen worden und wäre vermutlich mittlerweile bereits hingerichtet. Da hörte sie auf, Decken zu machen, fertigte sich stattdessen feste Kleider an, ließ sich von ihrem alten Diener ein Kettenhemd, einen Helm und ein Schwert kaufen und machte sich selbst auf den Weg, ihren Geliebten zu befreien. Sie schwor bei dem alten Holzkreuz, unter dem sie so lange gesessen hatte, dass sie nicht eher zurückkehren würde, als bis sie ihren Geliebten befreit habe oder ihm in den Tod habe folgen können. Man hat von beiden nie wieder etwas gehört. Vielleicht ist er hingerichtet worden und sie bei der Überfahrt mit dem Schiff gekentert und ertrunken, und vielleicht sucht sie ihn auch immer noch. Ich persönlich ziehe es vor, zu glauben, dass sie ihn gefunden hat und mit ihm zusammen im Heiligen Landgeblieben ist, eine Familie gegründet hat und dass die beiden gemeinsam alt geworden sind.«
    Agnes sah ihn von der Seite an. Er lächelte sein vages Lächeln, und sie hatte das dringende Gefühl, eine Botschaft nicht verstanden zu haben, die in seiner Geschichte versteckt war. Doch ein anderes Gefühl war stärker.
    »Du brauchst mir nicht irgendwelche Märchen zu erzählen, um

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