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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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kniende Fremde endlich anzusprechen und so angespannt vor ihr stand, dass jede heftigere Zurückweisung ihn klafterweit hätte davonschnellen lassen.
    Agnes fiel aus der Dunkelheit in ihren Körper zurück undblinzelte. Vor ihren Augen hing das besorgte, blasse, magere Jungengesicht des Pfarrers. Es verschwamm vor ihrem Blick. Überrascht erkannte sie, dass sie geweint hatte. Etwas in ihr bäumte sich gegen die Anrede auf und wollte hasserfüllt rufen: Ich bin niemandes Tochter!, aber der Wunsch, dass dem nicht so wäre, war zu groß und die Rufe aus der Vergangenheit zu laut.
    Irgendwann nach all den grauenhaften Stunden, in denen sie als kleines Mädchen in der Finsternis gewesen war und zu sterben geglaubt hatte, hatte eine Hand sie an der Schulter gerüttelt. Sie hatte die Augen geöffnet und die Helligkeit einer Tranlampe gesehen, die auf Cyprians Gesicht schien. Sie lag auf dem Boden, eingerollt wie ein sterbendes Tier, die zerbrochene Kerze an den Körper gepresst.
    »Die steinerne Frau war hier«, flüsterte sie. »Sie hat mich gerufen, Cyprian, und ich hab die Fische gehört und den schwarzen See und –«
    »Ja«, sagte Cyprian und sah sich um. »Ja, natürlich.«
    »Sie hat gesagt, dass ich nicht hierher gehöre«, wisperte Agnes und packte Cyprians Arm. »Dass ich lebe, obwohl ich tot sein müsste, und dass ein schwarzer Mann auf mich wartet, um mich in die Hölle mitzunehmen.«
    »Was versteinerte alte Weiber eben so reden«, sagte Cyprian, aber Agnes spürte die Gänsehaut, die über seinen Körper lief. Der Pfarrer machte ein Gesicht, halb Missbilligung, halb Sorge. Mit einem schwachen Aufblitzen von Überraschung erkannte Agnes, dass er alt und robust war und in keiner Weise dem Mann ähnelte, den sie oben zu sehen geglaubt hatte.
    »Normalerweise sperre ich immer ab, damit niemand die Ruhe der Toten stört,« sagte er.
    »Schon gut«, sagte Cyprian. »Komm, Agnes, gehen wir nach Hause.«
    Er streckte die Hand aus, und sie ergriff sie und ließ sich in die Höhe ziehen. Ihre andere Hand hielt die Kerze; verwirrt gab sie sie dem Pfarrer und registrierte erstaunt, dass das Unschlitt immer noch weich war.
    »Als man dich nirgendwo finden konnte, ist mir die Geschichte eingefallen, die du so oft hören wolltest«, sagte Cyprian. »Ich bin so schnell ich konnte hier herausgelaufen. Hochwürden kam gerade aus der Kirche heraus.«
    »Dein Schutzengel hat meine Wege geleitet, Kleine«, sagte der Pfarrer. »Ich wollte eben einen Gang durch die Gemeinde tun, dann hätte dein Freund hier für Stunden niemanden vorgefunden. Er nötigte mich, den Schlüssel aus der Sakristei zu holen, und da fiel mir ein, dass ich die Tür eben abgesperrt hatte und dass ich mich gar nicht erinnern konnte, sie überhaupt offen gelassen zu haben. Nun, gut, dass du nicht hinter die zweite Tür vordringen konntest. Dahinter beginnt ein Labyrinth, in dem wir dich niemals wiedergefunden hätten.«  
    »Da war keine zweite Tür«, sagte Agnes.
    »Die Tür hier gegenüber«, sagte der Pfarrer. Er wies in die Dunkelheit. »Gut, dass du sie gar nicht entdeckt hast.«
    »Sie war offen.«
    »Sie ist zu«, sagte Cyprian. »Sieh selbst.« Er leuchtete mit der Kerze. Ein Tor, das im Zugang einer Festung nicht fehl am Platz gewesen wäre, versperrte den Weg. Agnes starrte sie an.
    »Es war offen«, flüsterte sie. »Ich habe gehört, wie die versteinerte Frau mich aus dem Gang heraus gerufen hat. Stundenlang …«
    »Du warst keine zehn Minuten hier unten«, sagte Cyprian und grinste, während er sie am Arm die Treppe hoch führte.
    »… hat die versteinerte Frau mich gerufen.«
    »Das ist der Wind«, sagte der Pfarrer. »Hier unten weht dauernd der Wind. Deshalb haben sich die Überreste der armen Teufel auch so gut erhalten. Die Gräber sind schon lange geplündert, aber ein paar Knochen sind noch da, und jederPfarrer der Heiligenstädter Kirche macht es sich zu seiner Aufgabe, über die Totenruhe zu wachen. Ich bin kein gebildeter Mann, aber ich nehme an, die Toten stammen noch aus den Zeiten der römischen Cäsaren. Heiden, wenn ihr versteht, was ich meine, aber sie liegen schon so lange hier unten und die Kirche steht schon so lange auf ihren Gebeinen, dass Gott der Herr ihnen bestimmt verzeihen wird.«
    »Meine Tochter?« Die Hand des jungen Pfarrers schwebte über ihrer Schulter, aber der Mut fehlte, die Schulter zu berühren.
    Agnes hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass sie jemals einen anderen zum Mann nehmen

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