Die Teufelsbibel
weiter.
»Vielleicht hat er wieder eine Nuss verlegt«, brummte Reichsbaron Rozmberka.
»Wir können nicht warten, bis er von alleine herauskommt«, sagte Lobkowicz. »Der russische Gesandte wartet, der Gesandte des Patriarchen von Konstantinopel wartet, der päpstliche Nuntius wartet, die Generäle warten, die ganze Christenheit wartet, dass der Kaiser sich endlich dazu entschließt, das Massaker vom letzten Jahr in Konstantinopel zu rächen und die Türken zu vernichten. Er kann sich nicht in seiner Schatzkammer verstecken – er muss regieren!«
»Mir brauchen Sie das nicht zu sagen, mein lieber Lobkowicz.«
»Ich dachte, die Lage hätte sich beruhigt nach seinem letzten Anfall, als er Edward Kellys Betrügereien auf die Schliche gekommen ist und ihn hat einsperren lassen. Und jetzt das!«
»Es wird uns nichts anderes übrigbleiben.«
»Verdammt noch mal, Rozmberka!«
»Glauben Sie, mir macht das Spaß?« Der dicke Reichsbaron verzog das Gesicht und äffte die Sprechweise eines anderen Mannes nach: » Sie kümmern sich doch darum, mein lieber Rozmberka? Allein dafür wünsche ich mir jeden Tag, an dem ich mich daran erinnere, wir hätten ihm doch die Därme rausgezogen!«
Lobkowicz ließ die Schultern hängen. Dann wandte er sich ab und winkte den Nächststehenden heran. »Lassen Sie ins Goldmachergässchen schicken und den fabulator principatus holen. Sagen Sie ihm, der Kaiser braucht wieder seine Geschichte.«
Der Angesprochene drängte sich durch die Menge und verschwand. Der Oberstlandrichter musterte die Gesichter um sich herum mit finsterer Miene. Sein Blick fiel erneut auf Pater Xavier. Der Dominikaner setzte das harmlose Lächeln auf, von dem er wusste, dass es ihn mit dem Hintergrund verschmelzen ließ. Hinter der verschlossenen Tür war immer noch absolute Stille. Lobkowicz’ Augen sahen durch Pater Xavier hindurch. »Ich hasse das«, murmelte der alte Mann. »Was immer er gesehen hat oder gesehen zu haben glaubt oder sich sonst irgendwie einbildet, es sei verflucht!«
»Stellen Sie sich vor, er tut sich was an«, flüsterte Reichsbaron Rozmberka. »Stellen Sie sich das mal vor – während wir hier draußen stehen und Maulaffen feilhalten.«
»Soll ich vielleicht die Tür aufbrechen lassen? Zur allerhöchst-privaten Schatzkammer des Kaisers?«, fuhr der Oberstlandrichter auf. »Auf eigene Verantwortung? Sehe ich aus, als möchte ich in einem Käfig im Hirschgraben zwischen denÄsten verfaulen? Geben Sie doch den Befehl, wenn Ihnen danach ist, mein lieber Rozmberka!«
»Wir sind alle verflucht«, sagte der Reichsbaron.
Nach einer Weile kam ein junger Mann in Begleitung mehrerer Wachen, die unsanft einen Weg für ihn bahnten. Die beiden Reichsbeamten empfingen ihn kühl.
»Sie sind dran!«, schnappte der Oberstlandrichter.
»Was ist dem Kaiser zugestoßen?«
»Keine Ahnung«, erklärte der Reichsbaron. »Aber vielleicht ist es so schlimm, dass Ihre lächerliche kleine Geschichte diesmal nicht zieht – und dann …« Der dicke Mann machte eine Bewegung mit dem Finger vor dem Unterleib, als würde er etwas aufwickeln.
Der junge Mann verzichtete darauf, die Türklinke nochmals hinunterzudrücken, was ihm in Pater Xaviers Augen einen Pluspunkt einbrachte. Er musterte die Menge – ein schmales Gesicht unter einem Schopf schwarzen Haars, hohe Wangenknochen, dunkle Augen, vor allem aber müde Linien um die Mundwinkel: jemand, der sein Leben sattzuhaben begann.
»Sie müssen den Befehl geben, die Tür aufzubrechen«, sagte Lobkowicz. »Anders kommen Sie nicht rein. Wir haben versucht, mit Seiner Majestät Kontakt aufzunehmen. Er hört uns nicht.«
»Treten Sie alle zurück«, sagte der junge Mann. »Seine Majestät steht gleich hinter der Tür.«
Er kauerte sich nieder und begann leise in den Spalt hineinzusprechen, der sich zwischen Türblatt und Mauer befand. Die beiden Reichsbeamten und mit ihnen die Gaffer wichen zurück. Pater Xavier konnte kein Wort von dem verstehen, was der junge Mann sagte, aber plötzlich hörte er das Geräusch eines Schlüssels, der lange in einem sehr komplizierten Schloss herumgedreht wird; der Spalt in der Tür verbreiterte sich und der junge Mann schlüpfte hindurch. Die Tür knallte wieder zu und der Schlüssel trat erneut in Aktion. Die Wartenden starrten sich gegenseitig an und zuckten mit den Schultern.
Oberstlandrichter Lobkowicz schnaubte, dann machte er eine exakte Kehrtwendung wie ein paradierender Gardist und stakste davon, ohne noch jemanden
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