Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
jetzt, wo sie den Turm vor Augen hatten, war er erleichtert und nahm sich offensichtlich die Zeit für ein paar plumpe Männerwitze.
    Über den Treidelpfad, der von Godstow aus am Fluss entlang nach Norden bis auf eine Meile an den Turm heranführte, waren sie gut vorangekommen. So gut, dass Adelia neue Zuversicht schöpfte und die Angst verlor, das Wetter könnte die Rückkehr zu ihrem Kind verzögern.
    Die Kahnführer, denen sie unterwegs begegneten, warnten sie, dass es bald wieder schneien würde, wofür es allerdings nicht die geringsten Hinweise gab. Es war ein wolkenloser Tag, und obwohl der Schnee der letzten Nacht unter der Sonne nicht geschmolzen war, bot die Landschaft einen berückenden Anblick, wie weiße Laken, die unter einem frischgeputzten blauen Himmel zum Trocknen ausgelegt waren.
    Weiter südlich auf dem Fluss, den sie soeben hinter sich gelassen hatten, brachten Mansur, ein Waffenknecht des Bischofs und zwei Männer aus Godstow eine Barkasse herauf, mit der Rosamunds Leiche zum Kloster geschafft werden sollte, sobald Bischof Rowley sie aus dem Turm geholt hatte.
    Zunächst jedoch mussten sie durch das Labyrinth hindurch, das die Festung der Toten umgab – ein Gedanke, bei dem sich in Adelias Begleitern anscheinend der alte Adam regte.
    »Ich hab’s doch gesagt«, sagte Rowley zu Adelia, zwinkerte dabei aber Walt zu. »Hab ich nicht gesagt, das ist der größte Keuschheitsgürtel der Christenheit?«
    Er will dich reizen. Hör nicht hin. »Ich bin beeindruckt von der Größe«, sagte sie und seufzte dann leise. Schon wieder eine Doppeldeutigkeit, die die Männer zum Kichern brachte.
    Aber sie war wirklich beeindruckt. Das Labyrinth von San Giorgio in Salerno, dessen Länge und Verschlungenheit die Lebensreise der Seele symbolisieren sollte, wurde von der ganzen Stadt bestaunt. Aber im Vergleich dazu war das Gebilde da drüben ein Koloss. Es umschloss den Turm wie ein breiter Ring, der einen großen Bereich auf dieser Seite des Berghangs bedeckte und sich auf der Rückseite fortsetzte. Die Außenmauer war neun oder zehn Fuß hoch, und aus dieser Entfernung sah es aus, als wäre das Innere des Labyrinths gänzlich mit weißer Wolle gefüllt.
    Vor ihrem Aufbruch war Adelia von Godstows Priorin gewarnt worden.
    »Schlehdorn«, hatte Schwester Havis angewidert gesagt. »Wisst Ihr, was das heißt? Mauern aus Granit mit Schlehdornhecken davor …«
    Was Adelia da hinten sah, waren Steine und Hecken, die sich in erstarrten Wellen schlängelten und wanden.
    Kein Gürtel, dachte Adelia. Eine Schlange, eine riesige Würgeschlange.
    Walt sagte: »Muss ’ne Scheißarbeit für die Gärtner sein«, und Rowley wäre fast vom Pferd gefallen. Jacques lächelte übers ganze Gesicht, froh, seinen Bischof so gelöst zu sehen.
    Schwester Havis hatte Adelia vorgewarnt. Das ursprüngliche Labyrinth, so hatte sie gesagt, war von einem verrückten angelsächsischen Geisterbeschwörer um den Turm herum gebaut worden und war später, als es in die Hände eines ebenso verrückten normannischen Ritters im Gefolge von William dem Eroberer fiel, von diesem vergrößert worden, um zu verhindern, dass seine Feinde hinein- und seine Frauen hinausgelangten.
    Die Nachkommen des Normannen waren wiederum von Henry Plantagenet verjagt worden, der den Turm als praktische Unterbringung für seine Geliebte auserwählt hatte, da er ganz in der Nähe des Waldes von Woodstock lag, wo der König eine Jagdhütte besaß.
    »Eine architektonische Anstößigkeit«, hatte Schwester Havis empört gesagt. »Ein Objekt männlicher Lüsternheit. Die Einheimischen bewundern es, auch wenn sie sich drüber lustig machen. Die arme Lady Rosamund. Ich fürchte, der König fand es amüsant, sie ausgerechnet dort unterzubringen.«
    »Das passt zu ihm.« Adelia kannte Henry Plantagenets Sinn für Humor.
    Und Rowleys.
    »Natürlich komm ich da rein«, antwortete der Bischof gerade auf eine Frage von Jacques. »Hab ich schon einmal gemacht. Einmal nach rechts, dann nach links, mal vor, mal zurück, und alle freuen sich.«
    Adelia hörte sie lachen und verspürte allmählich Mitleid mit Rosamund. Hatte es ihr etwas ausgemacht, an einem Ort zu leben, dessen Anblick jeden Mann regelrecht zu Anzüglichkeiten aufforderte?
    Arme Lady. Selbst im Tod erwies man ihr wenig Achtung.
    Mit den verschneiten Mauern und Ästen des Labyrinths sah es aus, als würde der Turm aus einer Masse weißen Flaums aufragen. Adelia musste unwillkürlich an einen alten Patienten denken,

Weitere Kostenlose Bücher