Die Teufelshaube
ebenfalls im Osten gelernt. Rowley ist auf meinen Befehl dorthin gereist … vor langer Zeit.« Ihre Stimme war weicher geworden. »Er hat das Schwert meines toten kleinen Sohnes nach Jerusalem getragen und es dort auf den Altar Christi gelegt.«
Adelia war beruhigt. Offenbar hatte diese Stellvertreterkreuzfahrt ein festes Band zwischen Eleanor und Rowley geschmiedet. Es mochte ja unter den gegebenen Umständen bis zum Zerreißen gespannt sein, aber es hielt noch immer. Die Königin hatte ihn gefangen genommen. Sie würde nicht zulassen, dass man ihn tötete.
Sie ist eine Mutter, dachte Adelia, sie wird mich wieder zu meinem Kind lassen. Bestimmt würde sie sie darum bitten können, wenn sie und die Königin sich erst ein wenig besser kennengelernt hatten. Unterdessen musste sie noch möglichst viel über den Mord an Rosamund herausfinden. Eleanor hatte ihn nicht angeordnet. Wer dann?
Das schwächere Licht hatte der Königin stärker geschmeichelt als die strahlende Beleuchtung, die sie jetzt umgab. Sie war anmutig und würde es immer bleiben, sie hatte einen schönen, blassen Teint und kastanienbraunes Haar, das jetzt versteckt war, aber Falten kräuselten ihren Mund, und der enge Gazeschleier konnte nicht ganz den Ansatz eines Doppelkinns kaschieren. Eine schlanke Figur, ja, ein zarter Knochenbau, ja. Und doch schien auch oberhalb der Stelle, wo ein juwelenbesetzter Gürtel ihre Taille umschlang, das Gewebe zu erschlaffen.
Kein Wunder. Sie hatte mit ihrem ersten Mann, Ludwig von Frankreich, zwei Töchter gehabt, und seit ihrer Scheidung waren aus ihrer Ehe mit Henry Plantagenet noch acht weitere Kinder hervorgegangen, fünf davon Söhne.
Zehn Geburten. Adelia dachte daran, was die Schwangerschaft mit ihrer eigenen Taille angestellt hatte. Erstaunlich, dass sie überhaupt noch so aussah.
Weitere Kinder würde es jedoch nicht mehr geben, auch wenn König und Königin sich nicht zerstritten hätten. Eleanor musste jetzt wie alt sein? Fünfzig?
Und Henry wohl noch keine vierzig.
»Fertig«, sagte die Königin und biss das Nadelende des Seidenfadens ab, der Adelias Handfläche nun zusammenhielt. Dann holte sie ein zartes Spitzentuch hervor, das ihr als Taschentuch diente, wickelte es geschickt um die Hand und band es mit einem letzten, schmerzhaften Ruck fest.
»Ich bin Euch dankbar, Mylady«, sagte Adelia aufrichtig.
Doch Eleanor hatte schon wieder ihren Posten bezogen und starrte die Leiche an.
Warum?, fragte sich Adelia. Warum diese obszöne Totenwache? Das ist unter deiner Würde.
Die Frau war aus einer Burg im Tal der Loire geflohen und durch das ihr feindlich gesinnte Territorium Henrys gereist, wo sie Anhänger und Soldaten um sich geschart hatte, ehe sie den Kanal überquerte und Südengland erreichte. All das, um zu einem einsamen Turm in Oxfordshire zu gelangen. Und das im Winter. Zugegeben, den größten Teil der Reise hatte sie bewältigt, als die Straßen noch nicht so unpassierbar waren wie jetzt – sie musste nicht allzu weit vom Turm entfernt ein Lager aufgeschlagen haben –, aber dennoch, es war eine strapaziöse Reise gewesen, die offenbar jeden erschöpft hatte, nur nicht Eleanor. Und wozu? Um hämisch über ihre Rivalin zu triumphieren?
Aber die Feindin ist besiegt, dachte Adelia, sie ist zu einer winterlichen Version der Salzsäule von Sodom und Gomorrha erstarrt. Ein Mordversuch wurde von mir und einem Eleanor behütenden Gott vereitelt. Rosamund hat sich als übergewichtig entpuppt. Das müsste doch genügen, um jeden noch so großen Rachedurst zu stillen. Der Königin genügte es anscheinend nicht. Sie muss hier sitzen und sich am Zerfall der Besiegten ergötzen. Warum?
Jedenfalls nicht, weil sie die jüngere Mätresse um die Möglichkeit beneidet hatte, noch Kinder bekommen zu können, denn Rosamund hatte keine gehabt.
Auch nicht, weil Rosamund die einzige königliche Geliebte gewesen wäre. Henry hatte in seinem Leben mehr Frauen geschwängert, als die meisten Männer warme Mahlzeiten zu sich nahmen. »Im wahrsten Sinne des Wortes der Vater seines Volkes«, hatte Rowley einmal voller Stolz über ihn gesagt.
Von Königen wurde das erwartet, fast wie eine Aufgabe, eine Verpflichtung – in Henrys Fall eine äußerst angenehme – gegenüber der Fruchtbarkeit seines Reiches.
Damit der Samen prächtig gedeiht, dachte Adelia säuerlich.
Doch auch Eleanors herzögliche Ahnen hatten zu ihrer Zeit nicht mit ihrem aquitanischen Samen gegeizt. Sie war dazu erzogen worden, keine
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