Die Teufelshaube
denn glücklich?«
Gyltha zuckte die Achseln. »Hab sie nich gesehen. Sie bleibt bei den Nonnen. Ich hätte ja gedacht, sie kommt angerannt, um diesen Lord Wolvercote zu begrüßen …«
»Wolvercote?«
»So heißt Seine Lordschaft. Passt auch gut, weil er wirklich richtig was von ’nem Wolf an sich hat.«
»Gyltha … Wolvercote, das ist der Mann … der hat ein Heer für die Königin aufgestellt. Er sollte in Oxford sein und da warten, bis Eleanor zu ihm stößt.«
»Tja, is er aber nich, er is hier.«
»Tatsächlich? Aber …« Adelia war fest entschlossen, an den Glanz einer romantischen Liebe zu glauben. »Er scheint mir als Mörder auch nicht wahrscheinlich. Es spricht schließlich für ihn, dass er bereit ist, einen Krieg zu verschieben, weil er es nicht abwarten kann, seine Emma zu heiraten.«
»Er verschiebt ihn«, stellte Gyltha klar, »für seine Emma plus zweihundert Mark. In
Gold.
« Sie beugte sich vor und gestikulierte mit ihrer Stricknadel. »Weißt du, was er als Erstes gemacht hat, als er ins Dorf kam? Er hat ein paar Spitzbuben geschnappt, die sein Gut ausgeraubt haben, und sie im Handumdrehen aufgeknüpft.«
»Die beiden an der Brücke? Ich hab mich schon gefragt, warum sie da hängen.«
»Schwester Havis is sauer. Die hat sich richtig aufgeregt, sagt Polly. Die Brücke gehört nämlich der Abtei, und die Schwestern wollen nich, dass sie mit Leichen vollgehängt wird. ›Ihr nehmt sie sofort wieder ab‹, hat sie Seiner Lordschaft gesagt. Aber der Kerl sagt, es wär
seine
Brücke, und er würd’s nich tun. Und er tut’s nich.«
»Oje.« So viel zum Traum von romantischer Liebe. »Und wer ist nun der vierte Ankömmling?«
»Advokat. Heißt Warin. Und
der
hat Fragen gestellt. Macht sich große Sorgen um seinen jungen Vetter, wie’s scheint. Der wurde zuletzt gesehen, als er flussaufwärts geritten is.«
»Warin, Warin. Er hat den Brief geschrieben, den der Junge bei sich hatte.« Es war, als würde eine Eisbarriere schmelzen, so dass alle Erinnerungen ungehindert auf sie einströmen konnten.
Euer liebnd. Vetter Wlm Warin, Diener des Rechts, der Euch hiermit 2 Mark in Silber als Anzahlung auf Euer Erbe übersendet, dessen Rest Ihr beanspruchen mögt, wenn wir uns sehen.
Briefe, immer wieder Briefe. Ein Brief in der Sattelrolle. Ein Brief auf Rosamunds Tisch. Verbanden sie die beiden Morde miteinander? Nicht unbedingt. Menschen, die des Schreibens mächtig waren, schrieben nun mal Briefe. Andererseits …
»Wann ist Master Warin hier aufgetaucht und hat nach seinem Vetter gefragt?«
»Gestern am späten Abend, vor dem Schneesturm. Und er is ’ne Heulsuse. Hatte ’nen Heulkrampf vor Angst, sein Vetter könnte vom Schnee überrascht oder wegen seiner Geldbörse überfallen worden sein. Wollte über die Brücke und sich im Dorf erkundigen, aber das ging dann nich mehr, weil alles zugeschneit war.«
Adelia überlegte. »Dann war ihm aber schnell klar, dass der Junge vermisst wird. Schließlich ist Talbot aus Kidlington – er muss der im Eishaus sein – erst in der Nacht davor getötet worden.«
»Ist das ein Beweis?« In Gylthas Augen lag ein angriffslustiges Glimmen.
»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht. Ach gütiger Gott, was ist denn nun wieder?«
In der Nähe hatte die Kirchenglocke begonnen zu läuten, ließ den Krug in seiner Schüssel erbeben und das Bett vibrieren. Allie öffnete den Mund, um zu schreien, und Adelia sprang aus dem Bett, um sie hochzuheben und ihr die Ohren zuzuhalten. »Was ist denn los? Was ist los?« Die Glocke rief nicht zum Gottesdienst.
Gyltha hatte das Ohr an den Fensterladen gedrückt und versuchte, die Rufe von unten zu verstehen. »Alle in die Kirche.«
»Brennt es?«
»Weiß nich. Klingt eher wie ein Ruf, sich zu versammeln.« Gyltha lief zu den Haken, an denen ihre Mäntel hingen. Adelia begann, Allie in ihren Pelz zu wickeln.
Draußen hasteten Menschen von allen Seiten herbei und gesellten sich zu dem lauten Gedränge vor dem Kirchenportal, wo manche stehenblieben, um andere vorzulassen, einander verstört Fragen stellten und keine Antworten erhielten. Sie nahmen den Lärm mit hinein … und verstummten.
Die Kirche war voller Menschen, aber still und größtenteils dunkel. Alles Licht bündelte sich im Altarraum, wo Männer im Chorgestühl saßen,
Männer,
manche von ihnen in Rüstung. Der Bischofsthron war vor den Altar gestellt worden, und Königin Eleanor saß darauf. Sie trug ihre Krone, wirkte aber zwergenhaft in dem
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