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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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setzte Adelia sie geistesabwesend wieder auf den Boden und lauschte auf die unnachgiebige kleine Stimme in ihrem Kopf, die wie eine hartnäckige Krähe Fragen stellte.
    Zwei Morde, nicht? Rosamund und der Kerl auf der Brücke. Hängen die nicht vielleicht zusammen?
    »Ich weiß nicht. Ist auch egal«, sagte sie laut zu sich selbst.
    Würde davon abhängen, wer hier auftaucht, würd ich sagen. Irgendwer muss doch herkommen und rausfinden wollen, wieso es kein großes Hallo um den Toten auf der Brücke gegeben hat, was? Wer das gemacht hat, wollte, dass er tot ist und dass es ein Mordsgeschrei drum gibt, stimmt doch, oder?
    »Davon bin ich ausgegangen. Aber es war keine Zeit, der Schnee wird den- oder diejenigen aufgehalten haben.«
    Es ist aber wer gekommen.
    »Interessiert mich nicht. Ich will nach Hause, ich hab Angst.«
    Und den armen Kerl willste einfach im Eishaus lassen, ja? Sehr gottesfürchtig, muss ich schon sagen.
    »Ach, sei still.«
    Adelia legte Wert auf Ordnung. In gewisser Weise ging es auch in ihrem Beruf darum – denn eines konnte man den Toten zumindest zugute halten: Sie trafen keine unvorhergesehenen Entscheidungen und bedrohten dich auch nicht mit dem Messer. Machtlos zu sein und anderen ausgeliefert – vor allem wenn diese Böses im Schilde führten –, wie Adelia es in Wormhold und auf dem Fluss gewesen war, hatte sie zutiefst verunsichert.
    Das Kloster umschloss sie. Der lange, niedrige, schlichte Raum kündete von wohltuender Harmonie. Es war jetzt dunkel draußen, und die Glut im Kohlenbecken erzeugte bei jedem Deckenbalken einen Schatten, malte ein angenehm gleichmäßiges Muster aus dunklen und weniger dunklen Bahnen auf den weißen Putz. Obgleich gedämpft durch die Wolle, die Gyltha zum Schutz gegen die Kälte in die Ritzen der Fensterläden gestopft hatte, vermittelten die fernen Stimmen der Nonnen, die die Vesper sangen, die Beruhigung von tausend Jahren disziplinierter Gleichförmigkeit.
    Und all das war trügerisch, weil hier im Eishaus eine Leiche lag und sieben Meilen entfernt eine tote Frau an einem Schreibtisch saß. Beide warteten sie auf … ja, auf was?
    Aufklärung.
    Adelia flehte die Toten an: Ich kann sie euch nicht geben, ich fürchte mich, ich will nach Hause.
    Aber bruchstückhafte, beinah vergessene Bilder drängten sich ihr unaufhörlich in den Sinn: Fußspuren im Schnee auf der Brücke, ein zerknitterter Brief in einer Sattelrolle, andere Briefe, abgeschriebene Briefe, Berthas schweinsähnliche Nase, die einen Geruch erschnüffelt …
    Gyltha kam zurück und brachte eine große Schüssel Eintopf mit Hammelfleisch und ein paar Löffel mit; sie hatte ein Brot unter einem Arm und unter dem anderen eine Lederflasche Ale. Sie goss etwas Eintopf in Allies Schälchen und begann, ihn zu einem Brei zu zermatschen. Die Fleischstücke zerkaute sie mit ihren großen, starken Zähnen, bis auch sie nur noch Matsch waren, und gab sie dann zurück ins Schälchen. »Weiße Rüben und Gerste«, sagte sie. »Eins muss ich den Schwestern lassen, die machen ein anständiges Abendessen. Und heute Morgen gab’s gute warme Milch von der Kuh mit ein bisschen Porridge für die Kleine.«
    Da die Erwähnung eines der Probleme des Klosters der Situation irgendwie mehr Realität gab, fragte Adelia widerwillig: »Ist Bertha noch immer im Kuhstall?«
    »Kommt einfach nich raus, das arme Ding. Will die alte Dakers sie immer noch abmurksen?«
    »Nein, ich glaub nicht.«
    Allie zu füttern, die beherzte Anstrengungen unternahm, sich selbst zu füttern, bedurfte einer Konzentration, die keinen anderen Gedanken mehr zuließ.
    Als sie die letzten Essensreste aus Allies und ihren eigenen Haaren geklaubt hatten, wurde das Kind ins Bett gelegt, und die beiden Frauen aßen ihr Nachtmahl schweigend, die Füße nah zum Kohlenbecken gestreckt, während die Flasche Ale zwischen ihnen hin und her wanderte.
    Wohlig warm und mit abklingenden Schmerzen dachte Adelia, dass die hagere alte Frau auf dem Hocker ihr gegenüber die einzige Sicherheit war, die es derzeit in ihrer Welt gab. Es verging kein Tag ohne den Gedanken daran, wie viel Dankbarkeit sie Prior Geoffrey dafür schuldete, dass er sie miteinander bekannt gemacht hatte, doch auch kein Tag ohne die jähe Angst, Gyltha könnte sie verlassen, oder ohne dass sie sich verwundert die Frage stellte, warum sie blieb.
    Adelia sagte: »Gyltha, macht es dir was aus, hier zu sein?«
    »Geht nich anders, Mädchen. Wir sind eingeschneit. Schneit schon wieder,

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