Die Teufelshaube
riesigen Sessel.
Neben ihr stand ein behelmter Ritter, den Mantel zurückgeworfen, damit das rot-schwarze Wappen mit einem Wolfskopf vorn auf seinem Rock zu sehen war. Eine Hand im Panzerhandschuh ruhte auf dem Schwertheft. Er stand so reglos da, dass er auch eine bemalte Skulptur hätte sein können, doch er zog alle Blicke auf sich.
Das leise Raunen, das von den Neuankömmlingen hereingetragen wurde, erstarb. Inzwischen waren sämtliche Bewohner von Godstow eingetroffen, zumindest alle, die gehen konnten. Adelia, die allmählich fürchtete, das Kind in ihren Armen könnte zerquetscht werden, schaute sich nach einer Stelle um, wo mehr Platz war, und jemand, der schon zu einigen anderen auf ein Grabmal geklettert war, zog sie mit herauf. Gyltha und Wächter folgten ihr.
Die Glocke hörte auf zu läuten. Sie hatte lediglich den Hintergrund des Geschehens gebildet und war erst aufgefallen, als ihr Klang verstummte.
Der Ritter nickte, woraufhin sich ein livrierter Mann hinter dem Chorgestühl umwandte und die Tür zur Sakristei öffnete, der Eingang, der den Ordensschwestern vorbehalten war.
Mutter Edyve kam, auf ihren Stock gestützt, herein, gefolgt von den Godstower Nonnen. Sie blieb stehen, als sie den Altarraum erreichte, und betrachtete die Männer, die auf den Plätzen saßen, die sonst für sie und ihre Schwestern reserviert waren.
Ein erschrockenes Zischen durchlief die Versammlung, doch Mutter Edyve neigte nur leicht den Kopf, humpelte dann an ihnen vorbei und winkte ihrer Herde mit einem Finger, ihr zu folgen, als sie die Stufen hinunterging und sich mit zu der Gemeinde stellte.
Adelia schaute sich im Kirchenschiff um, suchte nach Mansur. Sie sah ihn nirgends; stattdessen fiel ihr Blick auf Männer in Rüstungen, die sich mit gezogenen Schwertern entlang der Mauern aufgebaut hatten, als wären den alten Steinen Bolzen aus Stahl und Eisen gewachsen.
Wachen.
Sie drehte sich um. Der Ritter im Chorraum hatte zu reden begonnen. »Ihr alle kennt mich. Ich bin Lord Wolvercote, und von nun an bestimme ich im Namen unseres Erlösers und meiner huldvollen Lehnsherrin, Königin Eleanor von England, über den geweihten Bezirk Godstow, damit er gegen die Feinde der Königin verteidigt und gehalten wird, bis zu dem Augenblick, da sie im ganzen Land den Sieg errungen hat.«
Für einen so großen Mann war seine Stimme verblüffend hell und schwach, doch in der Stille benötigte sie keine Kraft.
Ein fassungsloses Raunen ertönte. Hinter Adelia sagte jemand: »Was meint der denn?«
Jemand anderer murmelte. »Menschenskind, heißt das, wir haben Krieg?«
Aus dem Mittelschiff drang ein Ruf: »Welche Feinde denn? Wir haben keine Feinde, wir sind doch eingeschneit.« Adelia meinte die Stimme des Müllers zu erkennen, der schon Bischof Rowley hinterfragt hatte. Allgemeines nervöses Kichern war die Folge.
Augenblicklich drängten sich zwei der Waffenknechte, die an der Südmauer gestanden hatten, vor, und stießen Menschen mit der Flachseite ihrer Schwerter beiseite, bis sie den Störenfried erreicht hatten. Sie packten ihn und zerrten ihn durch die Menge zum Hauptportal.
Es
war
der Müller. Adelia sah kurz sein rundes Gesicht, den vor Schreck offenen Mund. Die Männer, die ihn rausschafften, trugen das Wolfskopfwappen. Ein Junge rannte hinterdrein. »Pa. Lasst meinen Pa los.« Sie konnte nicht sehen, was danach geschah, doch die Tür knallte zu, und es trat wieder Stille ein.
»Ich dulde keine Aufsässigkeiten«, sagte die helle Stimme. »Die Abtei steht ab jetzt unter militärischer Herrschaft, und all ihre Bewohner unterstehen dem Kriegsrecht. Es wird ein Ausgangsverbot verhängt werden …«
Adelia wollte ihren Ohren nicht trauen. Das Schockierende an der Sache war ihre Dummheit. Wolvercote brachte just die Leute gegen sich auf, deren Freundschaft er brauchte, solange der Schnee liegenblieb. Und das unnötigerweise. Wie der Müller schon gesagt hatte, es gab keinen Feind. Soweit sie wusste, lag die nächste Streitmacht bei Oxford – und das war die von Wolvercote.
O Gott, ein dummer Mensch, das gefährlichste Tier überhaupt.
Im Chorgestühl lächelte Montignard der Königin zu. Die meisten anderen dort beobachteten die Menge im Kirchenschiff, doch der Abt von Eynsham studierte seine Fingernägel, während Schwyz’ finstere Miene sich ausnahm wie die eines Mannes, der gezwungen war, einen als Menschen verkleideten Affen zu betrachten.
Er
hätte das nicht getan, dachte Adelia, er ist
Weitere Kostenlose Bücher