Die Teufelshaube
wenn du’s gemerkt hast. Der Weg runter zum Fluss is schon wieder dicht.«
»Ich meine, quer durchs Land zu reiten, um hierherzukommen, weit weg von daheim, Mord … das alles. Du beklagst dich nie.«
Gyltha pulte eine Faser Hammelfleisch zwischen den Zähnen hervor, betrachtete sie und schob sie sich wieder in den Mund. »So krieg ich auch mal was zu sehen, denk ich«, sagte sie.
Vielleicht war es das. Frauen mussten meist da bleiben, wo sie waren, in Gylthas Fall das Sumpfland von Cambridgeshire, eine Gegend, die Adelia zwar ungemein exotisch fand, die aber ohne jeden Zweifel flach wie ein Brett war. Wieso sollte Gylthas Herz nicht wie das eines Kreuzfahrers für Abenteuer in der Fremde entflammen? Oder sich ebenso sehr – wie es Rowley ergangen war – danach sehnen, den Frieden Gottes in ihrem Land bewahrt zu sehen? Oder trotz aller Gefahren dafür sorgen wollen, dass Gottes Gerechtigkeit denjenigen widerfuhr, die ein Menschenleben genommen hatten?
Adelia sah sie kopfschüttelnd an. »Was würde ich nur ohne dich tun?«
Gyltha goss den Rest Eintopf aus Adelias Schale in ihre eigene und stellte sie für Wächter auf den Boden. »Vor allem hättste keine Zeit, rauszufinden, wer den armen jungen Burschen erledigt hat oder warum Rosamund dran glauben musste.«
»Oh«, seufzte Adelia, »na schön, lass hören.«
»Was willst du hören?« Aber Gyltha grinste zufrieden.
»Das weißt du ganz genau. Wer ist hier aufgetaucht? Wer hat Fragen nach dem Jungen im Eishaus gestellt? Jemand wollte, dass er gefunden wird, und ich wette, dieser Jemand wird sich umhören, warum das nicht geschehen ist. Wer ist es?«
Es war mehr als einer. In Adelias Abwesenheit waren vier Menschen in Godstow eingetroffen, als hätte der Schnee sie vor sich hergeweht, um sie hier einzusperren.
»Master und Mistress Bloat aus Abingdon. Das sind die Ma und der Pa von dieser jungen Emma, die du so magst. Wollen bei ihrer Hochzeit dabei sein.«
»Wie sind sie?«
»Dick.« Gyltha hob die Arme, als wollte sie einen mächtigen Baumstamm umfassen. »Dicke Bäuche, große Worte, laute Stimmen. Er hat hier rumgetönt, dass er mehr Wein von irgendwo im Ausland mit Schiffen herbringen lässt als sonst wer und auch mehr verkauft als sonst wer – noch dazu günstiger als sonst wer, glaub ich. Ein Fettwanst auf hohem Ross, so einer is das.«
Adelia schloss daraus, dass Master Bloat sich einer gesellschaftlichen Stellung erfreute, in die er nicht hineingeboren worden war. »Und seine Frau?«
Statt einer Antwort verzog Gyltha den Mund zu einem völlig affektierten Lächeln, griff nach der Aleflasche und spreizte demonstrativ den kleinen Finger ab, während sie so tat, als nähme sie einen Schluck. Die Bloats hatten Gyltha missfallen.
»Als mörderisches Ehepaar aber ziemlich unwahrscheinlich«, sagte Adelia. »Wer noch?«
»Ihr zukünftiger Schwiegersohn.«
Auch er hatte einen triftigen Grund, nach Godstow zu kommen. »Aaaah.«
Der schöne, galante Gedichteschreiber war also erschienen, um seine Braut zum Altar zu führen. Wie schön für dieses fröhliche bezaubernde Mädchen, wie schön, dass die winterliche Dunkelheit zumindest für eine Weile durch Liebe erhellt werden würde.
»Wie ist er hergekommen?«
Gyltha zuckte die Achseln. »Direkt aus Oxford, kurz bevor der Schneesturm losging, genau wie die anderen. Anscheinend is er der Grundherr da drüben auf der anderen Seite von der Brücke, obwohl er nich oft da is. Runtergekommene alte Ruine is das, meint Polly.« Gyltha hatte in der Küche Freundschaften geschlossen. »Sein Pa stand im Krieg auf der Seite von Stephen und hatte flussaufwärts eine Burg, die hat dann aber König Henry abreißen lassen.«
»Sieht er wirklich so edel aus, wie Emma ihn beschreibt?«
Doch Adelia sah, dass auch er einer war, der Gyltha missfiel, aber gründlich. »Edel is, wer edel handelt«, sagte Gyltha. »Älter, als ich gedacht hätte, und er kommandiert die Leute rum wie ein richtiger Lord. War schon mal verheiratet, aber sie is gestorben. Die Bloats lecken ihm die Stiefel dafür, dass er ihr Mädchen zur Adeligen macht …«, Gyltha beugte sich leicht vor, »… und er die Güte hat, als Mitgift zweihundert Mark in Gold anzunehmen.«
»Zweihundert Mark?« Eine gewaltige Summe.
»Hat Polly gesagt. In Gold.« Gyltha nickte. »Unser Master Bloat is nich gerade knapp bei Kasse.«
»Offensichtlich. Aber immerhin, wenn er gewillt ist, das Glück seiner Tochter zu erkaufen …« Sie stockte. »Ist sie
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