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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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du nirgendwohin.«
    Aber Adelia war schon weg, und mit ihr Kordel und Laterne. Sie ging nicht zur Küche, sondern zur Kapelle der Nonnen. Der Morgen graute.
    Sie hatten Berthas Leichnam in dem kleinen Mittelschiff auf einen Katafalk gelegt. Das Tuch, mit dem sie ihn bedeckt hatten, zog alles diffuse Licht von den hohen Fenstern auf die langgestreckte weiße Form, so dass der übrige Raum in diesigem Halbdunkel lag.
    Als Adelia durch das Längsschiff schritt, störte das Rascheln ihrer Füße in den Binsen auf dem Boden die Stille, und die Nonne, die vor dem Katafalk kniete, wandte sich um.
    Adelia achtete nicht auf sie. Sie stellte die Laterne auf den Boden und schlug das Tuch zurück.
    Berthas Gesicht war bläulich angelaufen. Ihre Zungenspitze ragte seitlich aus dem Mund. In Verbindung mit der winzigen Nase verlieh ihr das ein fast keckes Aussehen, wie ein kleiner Kobold.
    Die Nonne – Adelia kannte sie nicht – gab ein bestürztes Zischen von sich, als Adelia die Laterne aufnahm und mit der anderen Hand Berthas Lider zurückzog, um die Augen zu untersuchen.
    Im Weiß waren kleine Blutflecke zu sehen. Wie nicht anders zu erwarten.
    Adelia ging auf die Knie und hielt die Laterne so dicht wie möglich an den Hals. Dort waren Furchen von den Rändern des Riemens zu sehen, an dem das Mädchen gehangen hatte, aber auch andere Spuren – Rillen, die sich über die Kehle nach unten zogen.
    Und knapp unterhalb der Blutergüsse, die der Riemen verursacht hatte, verlief einmal rund um den Hals eine Linie von kleinen, kreisrunden Abdrücken.
    Die Nonne war aufgestanden und versuchte, Adelia von der Leiche wegzuscheuchen. »Was tut Ihr da? Ihr stört die Totenruhe.«
    Adelia achtete nicht auf sie, hörte sie nicht mal. Sie deckte das Tuch wieder über Berthas Gesicht, schlug es am anderen Ende zurück und hob die Röcke des Mädchens an, um den Unterleib zu inspizieren.
    Die Nonne rannte aus der Kapelle.
    Die Vagina zeigte keinerlei Anzeichen von Gewalt und, soweit zu erkennen war, auch keine Samenspuren.
    Adelia legte das Tuch zurück.
    Verdammt. Es gab eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. Ihr alter Lehrer Gordinus hatte sie ihr gezeigt, indem er den Hals von Gehenkten öffnete und deren Zungenbein mit dem von Garrottierten verglich – eine Form der Hinrichtung, die im Bezirk Pavia praktiziert wurde, wo man sie von den Römern übernommen hatte.
»Siehst du, meine Liebe? Beim Garrottieren bricht der Knochen nur selten, doch beim Erhängen fast immer. Wenn wir also unsicher sind, ob sich jemand selbst erhängt hat oder von jemand anderem stranguliert wurde, liefert uns das einen Anhaltspunkt. Außerdem kommt es bei Selbstmord durch Erhängen so gut wie nie zu einer Einblutung in die Halsmuskulatur. Wenn wir eine solche bei dem Opfer einer angeblichen Selbsterhängung feststellen, legt das die Vermutung nahe, dass wir es mit Mord zu tun haben.«
    Ach … wenn sie die Leiche doch nur sezieren dürfte … Nun denn, so musste sie sich eben auf genaues Maßnehmen verlassen …
    »Was geht hier vor?« Die tiefe Stimme dröhnte durch die Kapelle, vertrieb die Stille, schien selbst die Staubflöckchen aufzuschrecken und deutlicher hervortreten zu lassen.
    Die Nonne war ganz aufgeregt. »Seht Ihr sie, Mylord. Diese Frau …«
    »Ich sehe sie.« Er herrschte Adelia an, die die Kordel von Berthas Schädeldecke bis zu ihren nackten Zehen angelegt hatte. »Seid Ihr von Sinnen? Warum entehrt Ihr die Tote, Mistress? Selbst eine wie diese?«
    »Hmm.« Adelia machte einen Knoten in die Kordel, wickelte sie sich um die Hand und ging geistesabwesend Richtung Tür.
    Der Abt, der in Breite und Höhe und Farbe unübersehbar war, stellte sich ihr in den Weg. »Mistress, ich habe gefragt, warum Ihr den Frieden der armen Seele stört, die hier ruht?« Alles Bäuerliche war verschwunden, jetzt war der Mann ausschließlich ein gelehrter Vertreter des kirchlichen Standes.
    Adelia schob sich an ihm vorbei. Der Riemen, dachte sie, vielleicht ist der ja noch im Kuhstall. Und meine Kette auch.
    Der Abt sah ihr nach und schickte die Nonne dann mit einer heftigen Armbewegung zurück zu ihrer Totenwache.
    Draußen kam der gewohnte Klosteralltag allmählich in Gang, und das trotz eines Selbstmordes, der Anwesenheit einer Königin, der Besatzung durch ihre Söldner und der grässlichen Kälte. Godstows Bewohner schlitterten auf schmutzigem, buckeligem Eis hastig dahin, um ihre Feuer neu zu entfachen und mit ihrer Arbeit zu beginnen.
    Jacques

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