Die Teufelshaube
Balken und Töpfe und ein loderndes Feuer wahr.
Eine lästige Stimme drang in ihr Bewusstsein. »Was hat der Doktor gesagt? Wird er’s überleben?«
»Ich weiß nicht.«
»Das war prächtig, nich?« Cross schüttelte Mansur begeistert die Hand. »Sagt ihm, er is ein Prachtkerl.«
»Du bist ein Prachtkerl«, sagte Adelia auf Arabisch.
»Ich weiß.«
»Wie geht’s deinen Händen, mein Lieber?«, fragte sie. »Kannst du ihn zurück ins Spital tragen?«
»Ich kann.«
»Dann wickle ihn warm ein und beeil dich, ehe das Schlafmittel nachlässt. Vorsicht mit der Schulter. Sag Schwester Jennet, dass er wahrscheinlich erbrechen muss, wenn er wach wird. Ich komm gleich nach.«
»Er bleibt am Leben, nich? Jetzt kommt der Junge doch wieder in Ordnung, oder?«
Sie wandte sich der Nervensäge zu. An diesem Punkt war sie immer reizbar; es war ein Wettrennen gewesen, und wie eine Läuferin brauchte sie hinterher eine Erholungsphase, und … Cross, so hieß der Mann wohl … ließ ihr keine.
»Der Doktor
weiß
es nicht«, sagte sie – zum Teufel mit irgendwelchen Nettigkeiten. Schließlich war dieser Mann auf dem Boot auch nicht nett zu ihr gewesen. »Die Jugend Eures Freundes spricht für ihn, aber seine Verletzung war zu lange vergiftet und …«, sie beugte sich vor und sagte betont, »
… hätte früher behandelt werden müssen.
Nun geht und lasst mich in Ruhe.«
Sie sah ihm nach, wie er dem schwer schleppenden Mansur mit hängendem Kopf folgte, dann setzte sie sich ans Feuer und begann im Geist, Listen aufzustellen. An Weidenrinde bestand kein Mangel, zum Glück. Der Patient würde viel davon gegen die Schmerzen brauchen. Falls er überlebte.
Der Verwesungsgestank, der aus dem Kücheneimer drang, beunruhigte sie. Schließlich wurde hier in der Küche ihr Essen zubereitet. Eine Ratte tauchte hinter einem Schrank auf und schnupperte mit zuckenden Schnurrhaaren Richtung Eimer. Adelia griff nach dem Haufen Brennholz und warf ein Scheit nach ihr.
Wohin mit amputierten Gliedern? In Salerno hatte sie Leute gehabt, die sie entsorgten. Adelia hatte immer den Verdacht gehegt, dass sie sie unters Schweinefutter mischten, und das war einer der Gründe gewesen, warum sie bei Schweinefleisch immer ein ungutes Gefühl hatte.
Sie hüllte sich in ihren Mantel und trug den Eimer nach draußen auf die Gasse, um eine Stelle zu suchen, wo sie den Arm entsorgen konnte. Nach der Wärme in der Küche war es draußen unerhört kalt und sehr dunkel.
Ein Stück weiter die Gasse hinunter begann jemand zu schreien. Unaufhörlich.
»Ich kann nicht«, sagte Adelia laut. »Ich kann einfach nicht.« Aber dann lief sie doch schwerfällig in die Richtung, aus der das Geschrei kam, obwohl sie hoffte, irgendjemand anderer würde vor ihr dort sein und die Dinge in die Hand nehmen.
Eine Laterne tauchte schwankend in der Dunkelheit auf, begleitet von raschen Schritten. »Wer ist da?« Es war Jacques, der Bote. »Ach, Ihr seid es, Mistress.«
»Ja. Was ist da los?«
»Ich weiß es nicht.«
Sie trabten auf das Geräusch zu, und nach und nach kamen weitere Laternen hinzu, die immer mal wieder besorgte Gesichter und Füße in Pantoffeln sehen ließen.
Vorbei am Waschhaus, vorbei an der Schmiede, vorbei am Pferdestall – alles bekannt und schrecklich, weil Adelia jetzt wusste, woher die Schreie kamen.
Die Doppeltür zum Kuhstall stand weit offen, und davor drängten sich Menschen, von denen einige versuchten, eine hysterische Melkerin zu beruhigen, die meisten starrten jedoch wie gebannt nach oben und hielten ihre Laternen so, dass das Licht auf die baumelnde Gestalt von Bertha fiel.
Sie hatte einen Riemen um den Hals, der an einem Haken im Deckenbalken befestigt war. Ihre nackten Zehen zeigten nach unten auf einen Melkschemel, der umgekippt im Stroh lag.
Die Nonnen beklagten das tote Mädchen. Was, so fragten sie, konnte nur in sie gefahren sein, dass sie Selbstmord begangen hatte, eine so überaus schlimme Sünde? Hatte sie denn nicht gewusst, dass ihr Leben Gott gehörte und dass ihre Tat daher ein gesetzloser Akt wider die göttliche Ordnung war, den die Heilige Schrift und die Kirche verboten?
Nein, dachte Adelia zornig, das hatte Bertha nicht gewusst. Weil sie das niemand gelehrt hatte.
Schuld, sagten die Schwestern. Ihre Hand hatte Rosamund die giftigen Pilze gegeben; sie war von Reue übermannt worden.
Aber sie waren gute und barmherzige Frauen, und obwohl Bertha in ungeweihter Erde außerhalb der Klostermauern bestattet
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