Die Teufelshure
ihren ursprünglichen Besitzern weilten, übertrugen sich alle Informationen, die ihnen freiwillig oder unfreiwillig widerfuhren, auf die genetische Ausstattung der vorhandenen Keimzellen. Später, wenn die zukünftige Leibesfrucht sich in die Fruchthöhle eingenistet hatte, waren es vornehmlich die Gedanken und Emotionen der Mutter, die sich auf das Kind übertrugen. So kam es möglicherweise zu dem, was man Menschheitsgedächtnis nannte, den siebten Sinn oder die Sehnsucht nach Orten, an denen man nie zuvor gewesen war.
Vielleicht war es sogar möglich, unterbewusst Menschen wiederzuerkennen, deren genetischer Ausstattung man bereits einmal begegnet war – nicht jetzt und nicht heute, sondern vor Hunderten von Jahren. Wenn Alex und sein Schamane recht behielten, würde man das, was manche als Reinkarnation ansahen, durch ein wissenschaftliches Experiment erklären können. Wer konnte schon wissen, was dabei alles zutage kam? Vielleicht waren es auch Geschehnisse und Erfahrungen, die man lieber gar nicht wissen wollte. Doch ganz gleich, was es auch sein würde: Es wäre eine Erkenntnis, deren Auswirkungen für die Zukunft unabsehbar waren.
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Schottland 2009 – »Unvergesslich«
»Finde dich damit ab, dass du Gespenster gesehen hast«, hatte Randy mit einem mitleidigen Lächeln bemerkt. »Du gehst in Pension, ohne die Welt gerettet zu haben. Was macht das schon?«
Dough hätte sich denken können, dass er mal wieder das große Los gezogen hatte. Während er noch darauf hoffte, zum zweiten Mal eine Sensation enthüllen zu können, war in null Komma nichts eine niederschmetternde Blamage daraus geworden. Die Leitung der Sicherheitsfirma, bei der er angestellt war, vertrat sogar die Meinung, es sei besser für ihn, einen Nervenarzt aufzusuchen. Dabei war er sich vollkommen sicher gewesen mit dem, was er gesehen hatte. Ein Kampf unter Männern, so rasch, dass er deren Bewegungen nicht zu folgen vermochte, und ein Kopf, der ihm abgeschlagen vor die Füße gerollt war.
Nach der Alarmierung hatten Spezialisten mit Spürhunden die ganze Nacht und den nächsten Tag lang das Gelände abgesucht. Taucher hatten das Hafenbecken durchkämmt, auf der Suche nach einer kopflosen Leiche. Wieder und wieder hatte man Dough nach den Einzelheiten befragt, und damit war nicht nur seine eigene Glaubwürdigkeit in ein schlechtes Licht gerückt worden, sondern auch der Leumund seiner Firma. Der Einsatz der Untersuchungsbeamten hatte gewiss ein hübsches Sümmchen verschlungen. Aber, verdammt, man hatte ihn am Herzen operiert und nicht am Gehirn. Oder hatte er doch halluziniert? Sogar einem Alkoholtest hatte man ihn unterzogen, um seine Aussagefähigkeit zu überprüfen. Dabei hatte er schon lange vor der Herz-OP keinen Tropfen mehr getrunken und seiner Frau Cynthia zuliebe mit dem Rauchen aufgehört.
Am Tag nach dem vermeintlichen Mordanschlag war sein Sektions-Chef im Wachhäuschen erschienen und hatte ihn in den Zwangsurlaub geschickt. »Erholen Sie sich ein wenig! Fahren Sie mit ihrer Frau in die Highlands, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Und wer weiß, vielleicht gefällt Ihnen die Auszeit so gut, dass Sie womöglich vorzeitig in Pension gehen möchten«, hatte der Chef erklärt.
Im Klartext hieß das: Einen wie dich können wir hier nicht mehr gebrauchen!
An seinem alten Arbeitsplatz packte Dough ein paar Habseligkeiten zusammen. Bevor er den Reißverschluss seines Rucksacks zuzog, warf er einen Blick auf den Rottweiler, der wie immer stoisch auf seiner Decke lag. »Der Hund wird dich vermissen.« Randy warf Dough einen mitleidigen Blick zu, während Kyle, der neue Kollege, ein zwanzigjähriger Kerl mit Zungenpiercing, bereits in der Tür herumlungerte, um seinen Schreibtisch zu übernehmen.
Auf der Fahrt in Richtung Falkirk stellte Dough sich die Frage, wie er Cynthia beibringen sollte, dass er ab sofort nicht nur jeden Morgen zu Hause frühstücken, sondern auch den Lunch und das Dinner am Abend mit ihr einnehmen würde. Ganz zu schweigen von den finanziellen Einbußen, die es immer gab, wenn er keine Nachtzuschläge und keinen Lohn für Überstunden erhielt. Sein Ford war zehn Jahre alt. Eigentlich hatte er sich im Frühjahr einen neuen Wagen leisten wollen. Daran war nun nicht mehr zu denken.
Auf der Callander Road hatte Dough das Gefühl, verfolgt zu werden, aber er schob den Gedanken gleich beiseite. Als er jedoch in die Glen Brae Street einbog, fuhr der funkelnagelneue schwarze Mercedes geradezu
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