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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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ins Gras zu betten und zurückzulassen.
    Die nächste Welle des Schmerzes war so überwältigend, dass es sie aus der Ohnmacht zurück ins Leben katapultierte. Ein weiterer Mann war wie aus dem Nichts erschienen. Breitbeinig stand er über ihr und erteilte Befehle. Er war bei weitem nicht so attraktiv und fürsorglich wie der erste Mann, sondern hager und uralt. In seinem Umhang sah er aus wie Mephisto persönlich. Über ihm tobte ein Feuerwerk. Jedenfalls sah es so aus, weil es funkte und zischte. Bewaffnete Gestalten rannten geduckt mit alten Pistolen und Schwertern an ihr vorbei und brachten sich hinter Hügeln und Sträuchern in Sicherheit. Nur Mephisto blieb seelenruhig stehen und ignorierte den ganzen Trubel schlichtweg. Dicht neben ihr bebte die Erde.
    Aus einem hinteren Winkel ihrer Erinnerungen wusste sie, dass sie sich im englisch-schottischen Bürgerkrieg befand. Man schrieb das Jahr 1648. Es war Sommer, und trotzdem regnete es unaufhörlich. Wenn der Schmerz in ihrer Brust nicht so unglaublich gewesen wäre, hätte sie lauthals zu lachen begonnen, weil ihr die ganze Situation so absurd erschien.
    Plötzlich jedoch trat aus dem Dunkel ein maskierter Begleiter, den Mephisto offenbar zu sich herangerufen hatte: ein riesiger Kerl mit einer schwarzen Augenmaske, der in einer fließenden Bewegung ein langes Messer zückte. Während Lilian sich krampfhaft zu bewegen versuchte, um ihm zu entkommen, erkannte sie, dass sie hochschwanger sein musste. Der Fremde stach ihr unvermittelt in den Unterleib. Der Schmerz war so grausam, dass sie auf der Stelle zu sterben glaubte. Ehe sie sich versah, hatte ihr der Kerl den Bauch aufgeschlitzt. Fassungslos musste sie mit ansehen, wie er in die offene Wunde packte und ein von Blut triefendes Neugeborenes aus ihr herauszog. Für einen Moment hielt er es an den Beinchen gepackt wie einen erlegten Hasen. Das Kind bewegte sich nicht. Lilian wollte schreien, als der Mann erneut das Messer hob, jedoch bekam sie keinen Laut heraus. Sie hatte das Gefühl, gar nicht mehr atmen zu können.
    Der Kerl stach nicht, wie sie es erwartet hatte, auf das Kind ein, sondern kappte mit einem Schnitt die Nabelschnur. Mephisto, der ohne Gefühlsregung zugesehen hatte, streckte seinen knochigen Zeigefinger aus und berührte das Kind am Herzen. Augenblicklich schnappte es nach Luft und begann kläglich zu wimmern. Dann waren die beiden plötzlich verschwunden und das Kind mit ihnen.
    Lilian versuchte trotz ihrer Schmerzen aufzustehen, um den beiden zu folgen.
    Eine laute Sirene erschreckte sie und zerriss ihre Gedanken. Für einen Moment rechnete sie damit, wieder in einem Krieg gelandet zu sein. Jemand schlug ihr sanft auf die Wange. Allem Anschein nach war sie bis auf die Haut durchnässt. In Panik fasste sie zu ihrem Bauch, tastete ihn hektisch ab, in der Vorstellung, eine gigantische Wunde vorfinden zu müssen. Doch da war nichts – kein Blut, keine Verletzung.
    »Miss?« Die Stimme gehörte einem älteren Mann. »Hören Sie mich?«
    »Wo ist mein Kind?«, rief sie wie in Trance. Für einen Moment glaubte sie, immer noch auf dem Feld zu liegen.
    »Kind? Welches Kind? Sind sie schwanger?«
    »N… nein …«, lallte Lilian, »irgendjemand hat es herausgeschnitten.«
    Ein Daumen schob ihr die Lider hoch. Das Licht, in das sie blickte, war nicht weniger grell als das Licht zu Beginn ihrer merkwürdigen Reise.
    »Pulsfrequenz wieder normal.« Eine Frau machte sich an ihrem Arm zu schaffen.
    »Denkst du, sie steht unter Drogen?«, fragte der ältere Mann.
    »Keine Ahnung. Sie hat eine frische Einstichstelle in der linken Armbeuge. Aber wer weiß, vielleicht hat man ihr Blut abgenommen, oder sie ist Diabetikerin.«
    »Die Pupillen sind stark vergrößert. Das könnte auf die Einnahme von Meskalin hindeuten.«
    »Wo …« Lilian brachte kaum ein Wort heraus. Sie fühlte sich elend. Der Gedanke, das Kind verloren zu haben, tat immer noch scheußlich weh. Am liebsten wäre sie tatsächlich gestorben. Sie versuchte noch einmal die Augen zu öffnen. »Wo bin ich?«, fragte sie. Verschwommen nahm sie die weiße Kluft eines Arztes und einer Sanitäterin wahr, die sich mit besorgter Miene über sie beugten.
    »Hannover Street Ecke George Street«, antwortete die ältere Männerstimme. »Können Sie sich erinnern, wie Sie in diesem Aufzug mitten auf die Kreuzung geraten sind?«
    Plötzlich begriff sie, dass sie nur einen Hausanzug trug.
    »Nein.« Lilian versuchte aufzustehen. Ihr schwindelte, und sie fasste

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