Die Teufelshure
weit und breit.«
Netty Hurst, eine übergewichtige Blumenverkäuferin mittleren Alters, schien sofort zu wissen, um was es ging, als Lilian sie nach einem Strauß dunkelroter Rosen befragte, die sie vor ein paar Tagen verkauft haben musste.
»Ja, da hast du vollkommen recht«, meinte Netty und zwinkerte Lilian vertrauensvoll zu. »Es kommt nicht alle Tage vor, dass jemand bei uns fünfzig rote Rosen bestellt.« Beiläufig sortierte sie das Geld in der Kasse und warf Fred einen wissenden Blick zu. »Gregor MacCan hat die Blumen im Auftrag gekauft und sie mit seinem Boot auf die Insel gefahren, um sie dort auf einem der Gräber niederzulegen.«
»Macht er das öfter?« Lilian sah sie fragend an.
»Warum wollt ihr das wissen?«, fragte die Frau mit einer plötzlich misstrauischen Miene. »Ist daran etwas verkehrt?«
»Nein, nein«, versuchte Lilian sie zu beschwichtigen. »Es hat mich nur interessiert, weil es mir auffiel, als wir das Grab meiner Mutter besucht haben. Wer vermutet schon auf einer abgelegenen Friedhofsinsel solch bombastischen Blumenstrauß? Ich war neugierig, mehr nicht.«
Lilians offenes Bekenntnis schien die Frau zu versöhnen. »Es war nicht das erste Mal, dass wir Blumen auf die Insel geliefert haben. Es gibt da einen augenscheinlich vermögenden Auftraggeber, der an dem Grab auf Sankt Munda einen Narren gefressen hat. Vielleicht handelt es sich auch um einen entfernten Nachfahren der Frau. Es heißt, die Firma, die den Auftrag erteilte, hat ihren Hauptsitz in den USA. Ich habe mir sagen lassen, dass die oben in Moidart ein weitläufiges Areal besitzen. Mit einem riesigen Herrenhaus und einem abgeschirmten Landeplatz für Helikopter. Aber von den Einheimischen weiß keiner, was dort oben genau geschieht. Die stellen noch nicht mal Putzfrauen hier aus der Gegend ein. Wie lautet der Name der Firma noch gleich?« Netty beugte sich hinab zu einem Sideboard, wo sie offenbar die Durchschläge der Bestellungen aufhob.
»CSS«, stieß sie schwer atmend hervor. »Cameron Security Systems.«
25
Schottland 2009 – »Eternity«
»Hier macht der Chef sich noch selbst die Finger schmutzig«, flüsterte Paddy. Der Ire beobachtete mit einer hochgezogenen Braue seinen Boss, wie er in einem tadellos sitzenden blauen Businessanzug neben ihm in die Knie ging und einzelne Teile eines Scharfschützengewehrs einer länglichen schwarzen Tasche entnahm und sie zügig zusammensteckte.
Dass John Cameron, der Leiter dieser Aktion, sich dabei seine gepflegten Hände mit Waffenöl einschmierte, schien ihn nicht zu stören.
Paddy sah sich mit zweifelnder Miene um. Die helle, plüschig sterile Kulisse, gespickt mit Handschellen, Peitschen und Ledermanschetten – alles in unschuldigem Weiß –, ließ seine Konzentration leiden. Auf einem weißlackierten Barockschränkchen präsentierten sich zehn aufrecht stehende Kristallpenisse in verschiedenen Größen.
John hingegen ignorierte die Umgebung. Er hatte noch nicht einmal Augen für das mit silbernem Samt überzogene herzförmige Bett. Beiläufig hatte er seine Gewehrtasche darauf abgestellt. Seit Ewigkeiten interessierte er sich weder für Frauen noch für Bordelle. John war trotz seiner Anziehungskraft, die er auf beiderlei Geschlechter ausübte, in Sachen Sex und Liebe ein Neutrum, und wenn er mit den Jahren nicht so gottlos geworden wäre, hätte er ohne Umschweife einem Kloster beitreten können. Sein Gesicht verriet nicht die geringste Regung, als er probeweise das Scharfschützengewehr anlegte. Er wirkte entschlossen wie immer. Die Idee, sich in einem luxuriösen Stundenhotel einzumieten, kam nicht von ungefähr. Nicht nur dass man hier zur Verschwiegenheit neigte, wenn zwei Männer gemeinsam für eine Weile in einem Hotelzimmer verschwanden. Außerdem lag es direkt gegenüber dem Pyramide D’or, einem der teuersten Hotels Frankreichs.
»Denkst du, dass wir ihn auf diese Weise tatsächlich erwischen, John?«
Paddy war immer noch nicht sicher, ob es eine gute Idee sein würde, mitten am Tag auf einen Europaabgeordneten zu schießen und ihn anschließend zu entführen.
John nickte abwesend, während er nochmals das Magazin überprüfte. »Wenn nicht so, wie sonst?« Schnell und routiniert komplettierte er die Präzisionswaffe mit einem Zielfernrohr, dessen eigentliche Funktion gar nicht benötigt wurde und deshalb in eine hochauflösende Videokamera umgewandelt worden war. Dann stand er auf, legte das Gewehr beiseite und justierte das mobile,
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