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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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dreihundertfünfzig Jahren auf tragische Weise verloren hat. Eure Tochter ist eine direkte Nachfahrin dieser Frau und besitzt ihre Seele. Deshalb vermag nur sie ihm zu geben, was er entbehrt. Sie muss gar nicht viel dafür tun. Wenn er ihr erst einmal begegnet ist, wird er bereit sein, jeden nur erdenklichen Preis zu bezahlen, um nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Herz zu besitzen.« Mercurius legte eine theatralische Pause ein. »Deshalb lautet das Codewort für unsere Operation … die Teufelshure.«
     
    »Ruf Onkel Fred an«, hatte Lilians Vater am Telefon gesagt, als sie ihm Fragen nach der Vergangenheit ihrer Mutter gestellt hatte. Sie war nicht sicher, warum ihr Vater die Aufgabe, Licht in das Dunkel ihrer Familie zu bringen, ausgerechnet auf den Cousin ihrer Mutter abschob. Vielleicht fiel es ihrem Vater nach wie vor zu schwer, über Ellen MacDonald zu sprechen. Soweit Lilian wusste, hatte er ihre Mutter sehr geliebt und wäre an ihrem Tod beinahe zerbrochen, wenn da nicht die beiden Kinder gewesen wären.
    Aber vielleicht hatte das Ganze auch den eher simplen Grund, dass er tatsächlich nicht genug über die Vergangenheit der MacDonalds von Ballachulish wusste. Da er aus Deutschland stammte, hatte er nie etwas für die Traditionen ihrer schottischen Verwandten übriggehabt. Einen Schottenrock zu tragen empfand er als albern und Dudelsackmusik zum Davonlaufen. Merkwürdig war nur, dass er überhaupt nicht nach dem Grund ihrer plötzlichen Neugier gefragt hatte. Aber vielleicht war es auch besser so. Sie hätte ihn nicht anlügen können. Und nachdem sie bei Jenna schlechte Erfahrungen gemacht hatte, was die Offenlegung ihrer Forschungsabsichten betraf, nahm sie sich vor, ab sofort niemandem sonst davon zu erzählen, bis sie sicher sein konnte, was wirklich hinter ihren merkwürdigen Visionen steckte.
    Lilian beschloss, den kleinen Ausflug in die Highlands zu nutzen, um ihrer BMW R1200 S die erste Frühlingsluft zu gönnen. Motorradfahren war eine Leidenschaft, die sie von ihrem Vater geerbt hatte.
    Schon früh um acht packte sie am nächsten Sonntag zwei Paar Jeans und drei Sweat-Shirts in ihren Tankrucksack, dazu ein paar Wanderschuhe. Ende Mai war das Wetter in den Bergen zwar noch kühl, aber erträglich, solange es nicht goss wie aus Eimern. Jenna, die um neun ihren Dienst im Stadtbüro von Scotland Yard antreten musste, beobachtete Lilian, während sie sich eine Scheibe Toast mit Butter bestrich.
    »Du hast wohl die Highland-Gene deiner Mutter geerbt«, bemerkte Jenna mit einem Grinsen. »Der Wetterbericht sagt anhaltende Regenschauer in den Highlands voraus, und du willst tatsächlich mit dem Motorrad fahren.«
    Lilian schüttelte lächelnd den Kopf. »Meine genetische Ausstattung bezieht sich auf zwei Individuen. Also, wer sagt dir, dass die Deutschen Weicheier sind?« Demonstrativ ließ sie die obersten Knöpfe ihrer Bluse aufstehen. Nachdem sie ihren Tee ausgetrunken hatte, schlüpfte sie mit einer lasziven Bewegung in den engen schwarz-roten Lederoverall.
    Jenna ließ nicht locker und betrachte sie mit einer amüsierten Miene. »Ich dachte, du stehst nicht auf Männer in Röcken? Oder willst du nun doch den Hinterwäldlern am Loch Leven mit aller Gewalt den Kopf verdrehen?«
    Lilian schüttelte lächelnd den Kopf. »Keine Sorge, ich bleibe dir treu.«
    Geschickt band sie sich das Haar im Nacken zusammen und zog ihre Motoradjacke über. Dann nahm sie den Helm in die Hand und ging zur Haustür. »Mach’s gut«, sagte sie, als sie sich von Jenna mit einem Küsschen rechts und links auf die Wange verabschiedete. »Wir sehen uns spätestens Mittwoch. Vielleicht habt ihr bis dahin ja den ›kopflosen Jack‹ gefunden.«
     
    Das Wetter war herrlich. Lilian genoss die Fahrt an Falkirk und Sterling vorbei über Callander bis hoch nach Taydrum, wo sie in einem typischen Bikerlokal einen Tee und Scones mit Marmelade und Sahne zu sich nahm. Die kurvenreiche Straße hoch zum Rannoch-Muir war atemberaubend, und auch das Wetter spielte mit. In strahlendem Sonnenschein erreichte sie am frühen Nachmittag das Tal von Glencoe, eine weite, beinahe baumlose Senke, umgeben von hohen grasbewachsenen Bergen und zerklüfteten Felsen, aus denen etliche Wasserfälle zu Tal rauschten. Weiter unten, in Richtung Loch Leven, fuhr sie durch kleinere Wälder. Sie hatte sich mit dieser Gegend immer auf merkwürdige Weise verbunden gefühlt. Jetzt, nach der Entdeckung ihres Bruders, ahnte sie, warum. Vielleicht waren es ja

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