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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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funkgesteuerte Feuerleitsystem. Eine Aluminiumbox von der Größe einer Zigarettenstange, die ihm mittels einer LED-Anzeige versicherte, wer sonst noch von seinen übrigen Schützen das Ziel punktgenau anvisiert hatte. Da augenscheinlich alles in Ordnung war, nahm er das Gewehr in die Linke. Mit der Rechten schob er die silberfarbene Seidengardine beiseite – eine Spezialanfertigung, die selbst am Abend bei voller Beleuchtung Film- und Fotoaufnahmen von außen unmöglich machte.
    Die Sonne blendete John kurz, als er nach draußen schaute. Rasch setzte er seine tiefschwarzen Gläser auf, noch bevor er das Fenster öffnete und die Geräusche und Gerüche eines belebten Nachmittags mitten in Paris zu ihm heraufdrangen. Nicht weit entfernt befand sich Notre-Dame. Unter ihnen, sechs Stockwerke tiefer, pulsierte das Leben. Doch John konzentrierte sich nur auf sein Opfer. Im Eingang des Nobelhotels, vor dessen Hauptzufahrt im Takt von Minuten sündhaft teure Limousinen vorfuhren, würde es zu finden sein.
    Lord Richard Earthorpe war gestern Nachmittag mit einem ganzen Pulk von Personenschützern dort abgestiegen. Als Abgeordneter des Europaparlamentes und Vorsitzender einer europäischen Anti-Drogenkommission übernahm er seit neuestem den Vorsitz einer außerordentlich einberufenen Delegation, die sich den Kampf gegen Drogenkartelle auf die Fahne geschrieben hatte. Umgeben von Bodyguards, fühlte Earthorpe sich sicher, doch es war anzunehmen, dass er wusste, wie trügerisch diese Sicherheit sein konnte. John konnte ihn mühelos aus einer Ansammlung von Hunderten von Menschen herausfinden. Er konnte ihn buchstäblich riechen. Wie ein Hund hob er seine empfindliche Nase. Earthorpe roch nach Angst und vierhundert Jahren Geschichte. Außerdem benutzte er ein teures Rasierwasser, dessen Produktion man bereits vor gut einhundert Jahren aus Kostengründen eingestellt hatte, das er sich aber immer noch in einer kleinen Privatmanufaktur in Toulouse mischen ließ. John stellte sich jedesmal die Frage, wenn er ein altes Mitglied der Bruderschaft im Visier hatte, ob es Hass war, der ihn trieb, diesen unliebsamen Job zu erfüllen, oder der schlichte Gedanke, die Welt zu verbessern. Auf einen Menschen zu schießen, fiel ihm nicht leicht. Das hatte es nie getan, aber in diesem Fall war es etwas anderes. Die Person, die er im Visier hatte, war in Wahrheit kein Mensch, sondern ein Monster, und John bedauerte es außerordentlich, dass er dieses Monster nicht töten durfte.
    Lord Earthorpe handelte nicht nur im Auftrag der EU, in Wahrheit war er der direkte Vertreter des Satans. Anders konnte man den Erzeuger der Droge mit dem sinnigen Namen »Eternity« oder »Tränen der Nacht«, wie sie unter Exjunkies hieß, nicht bezeichnen. Earthorpe verkaufte die Droge im Auftrag der Bruderschaft der Panaceaer. Deren willfährige Geschäftspartner saßen in aller Welt. Earthorpe arbeitete selbstverständlich ohne das Wissen seiner europäischen Abgeordnetenkollegen. Im Gegenteil, er nutzte seine Verbindungen heimlich zum Wohle der Bruderschaft. Dabei rechnete er nicht damit, jemals erwischt zu werden. Das Mittel ließ sich so gut wie nicht nachweisen. Genau genommen, fiel es noch nicht einmal unter das Drogengesetz. Allerdings war die Substanz, die unter anderem aus menschlichen Ingredienzien gewonnen wurde, weit grausamer als all das, was sämtliche Drogenkartelle der Erde produzierten.
    Johns Funkempfänger krachte im Ohr. Er fluchte, weil es offenbar niemand fertigbrachte, die Dinger so einzustellen, dass sein empfindliches Gehör keinen Schaden nahm.
    »Posten eins ist im Ziel.« Die Stimme war nun leise, aber gut verständlich. John nickte seinem Mitstreiter am anderen Ende der Funkverbindung über die digitale Bildanzeige seines abhörsicheren Mobiltelefons zu. Es war ein junger Mann mit lockigen Haaren, und obwohl er bereits seit gut dreihundertfünfzig Jahren auf dieser Erde weilte, sah er immer noch aus wie sechzehn.
    »Okay, Malcolm«, antwortete John. »Was ist mit Bran?«
    »Ich habe ihn«, bestätigte eine dunkle Stimme, die einem weiteren Kameraden aus Johns Team gehörte.
    »David?«
    »Bin drin!«
    »Ruaraidh?«
    »Bereit!«
    »Was ist mit dem Wagen und den Bombenlegern?«
    »Aye, Sir. Alles im Lot«, kam es gestochen scharf aus dem Kopfhörer.
    »Na, dann kann’s ja losgehen«, murmelte Paddy.
    John startete die Aufzeichnungskamera, bevor er den Finger am Abzug krümmte. Wie ein Schwarm schwarzer Hornissen umkreisten die Bodyguards

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