Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
Vom Netzwerk:
ätherischen Ölen. Es roch nach Seifenkraut, Pfefferminze und frisch aufgebrühtem Salbeisud, und seit jenen Tagen, in denen John die Pest überlebt hatte, glaubte er fest daran, dass es etwas mit Sauberkeit zu tun haben musste, ob man krank wurde oder nicht.
    Eine Stunde lang entspannte sich John in der wärmenden Seifenlauge, während ihm ein Badegehilfe den obligatorischen Spitzbart stutzte und ihm anschließend die Haare wusch. Nachdem sich John unter den verstohlenen Blicken seines beleibten Nachbarn aus dem Wasser erhoben hatte, trocknete er sich ab und schlüpfte danach in ein frisch gewaschenes Baumwollunterwams, das er sich auf einem Schemel zurechtgelegt hatte. Darüber legte er ein ungebleichtes Oberhemd an, das er am Hals mit Schnüren verschließen konnte. Ein dunkelblaues Halstuch komplettierte seinen Sonntagsstaat. Auf einem Bein balancierend, zog er sich ein paar graublaue Wollsocken über und stieg dann in seine Stiefel. Erst zum Schluss legte er sein gutes Plaid an, indem er es gekonnt um Hüften und Schultern drapierte und mit seinem breiten Ledergürtel fixierte.
     
    »Du hast Besuch«, rief Paddy und weckte damit die restliche Meute, als John in die Baracke zurückkehrte. John antwortete nicht und legte seinen Rucksack aufs Bett und seinen Kamm in eine Holzkiste zurück, in der er seine wenigen Habseligkeiten aufbewahrte. Erst jetzt entdeckte er den vielleicht zehnjährigen Jungen, der regungslos hinter seiner Bettstatt verharrte. Er besaß eine kaffeebraune Hautfarbe und blickte in seiner grünlich glitzernden Dienstkleidung und einem gleichfarbigen Turban mit schüchterner Miene zu John auf. John schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und beschloss, zunächst einmal Ordnung zu schaffen, bevor er den Jungen zu Wort kommen ließ. Er packte die schmutzige Kleidung aus dem Rucksack aus und stopfte sie in einen Wäschesack, der unter dem Bett gelegen hatte. Das pausbäckige Kerlchen verfolgte jede seiner Bewegungen mit großen, schwarz glänzenden Augen, in denen das Weiße auffällig blitzte, sobald sein Blick die Richtung wechselte. Seine kurzen, dicklichen Finger hielten verkrampft eine kleine rote Depeschenmappe, die er an einem ledernen Band über der Schulter trug.
    »Ich habe ihm gesagt, dass es noch dauern würde, bis du wieder auftauchst«, grunzte Paddy missmutig über den Rand seiner Koje hinweg, »aber er wollte mir die Nachricht partout nicht aushändigen. Selbst als ich ihm Prügel angedroht habe.«
    John lächelte den Jungen verständnisvoll an. »Du bist ein guter Bursche. Dein Herr kann stolz auf dich sein.« Die Miene des Kleinen blieb unbewegt. In der Stadt wimmelte es von kindlichen dunkelhäutigen Dienern. In der besseren Gesellschaft Edinburghs gehörte es mittlerweile zum guten Ton, sich nicht nur einen Botenläufer, einen Schreiber oder einen Rattenfänger zu halten, sondern auch einen eigenen Mohren, wobei man diese nur schätzte, solange sie noch nicht das Erwachsenenalter erreicht hatten. Wenn sie größer wurden, jagte man sie aus dem Haus oder verkaufte sie in die Sklaverei.
    »Seid Ihr Master John Cameron?« Er hatte eine weiche, melodiöse Stimme, und John musste schon wieder lächeln, weil ihm die Lippen des Jungen so üppig und schön erschienen, dass sie jedes durchschnittliche schottische Mädchen mit Neid erfüllen konnten.
    John verbeugte sich gekünstelt. »Zu Ihren Diensten.« Mittlerweile war die gesamte Bagage in der Baracke zu sich gekommen und beobachtete voller Neugier, was der kleine Mohr John mitzuteilen hatte. Der Junge ließ sich nicht beirren und zog mit einer majestätisch anmutenden Geste einen versiegelten Brief aus reinem weißem Papier aus der Tasche hervor. John war nicht weniger verblüfft als seine Kameraden, als der Junge nicht, nachdem er den Brief übergeben hatte, wie erwartet die Hand für eine Münze aufhielt und ging, sondern hartnäckig stehenblieb.
    »Ich soll warten, bis Ihr den Brief gelesen habt, und dann Eure Antwort überbringen«, erklärte er.
    John verspürte eine gewisse Nervosität, als er den Brief, auf dem nur ein Siegel mit einer merkwürdig verschnörkelten Figur zu finden war, vor den Augen so vieler gaffender Männer öffnete. Er entfernte sich ein wenig von Paddys Bett und tat dabei so, als ob er zum Fenster gehen müsse, damit er den Brief besser lesen konnte. In Wahrheit wollte er das Schreiben vor neugierigen Blicken schützen. Obwohl hier längst nicht jeder des Schreibens und Lesens mächtig war, gab es

Weitere Kostenlose Bücher