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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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im Hafen lagen. Die Zeiten waren ernst. Erst im Januar hatten die schottischen Covenanters König Charles I. – teils aus Enttäuschung, teils aus Berechnung – an das englische Parlament ausgeliefert. Zuvor war er den Engländern auf geheimen Wegen nach Schottland entwischt, in der Absicht, die Schotten für seinen Kampf gegen seine politischen Gegner einzunehmen. Doch die Covenanters – rebellische Presbyterianer –, die zurzeit in Edinburgh die Regierung stellten, hatten ihn erneut an die Engländer ausgeliefert, nachdem er ihr Ansinnen auf Anerkennung einer vom König unabhängigen, presbyterianischen Kirche kaltschnäuzig abgelehnt hatte. Nun weilte er in Hampton Court, offiziell unter Hausarrest, und niemand konnte wissen, ob er jemals wieder zu seiner alten Macht gelangen sollte.
    Es war ein offenes Geheimnis, dass sich so manch Königstreuer wegen der politischen Entwicklung bereits eine Passage nach Frankreich gesichert hatte.
    John gab sich einen Ruck, um in die Straße hinauf zur Stadt einzubiegen. Erst nachdem er ein paar Schritte gegangen war, fühlte er sich leichter. Vier Humpen Bier und zwei Krüge Whisky, die er trotz aller Vorsicht getrunken hatte, halfen ihm, seine Aufregung zu beherrschen. Dabei gingen ihm ständig die gleichen Fragen im Kopf herum. Was sollte er mit Madlen anfangen, wenn sie ihn empfing? Und vor allem – was waren ihre Beweggründe, dass sie es überhaupt tat?
    Johns Schritte wurden schneller, vorbei an Sonntagsspaziergängern und muskelbepackten Sänftenträgern, die sich ächzend abmühten, ihre Herrschaft über die steinigen, unebenen Straßen rund um Edinburgh zu schleppen, weil auf manchen Wegen so tiefe Löcher vorhanden waren, dass bei einer Kutsche sofort die Achse gebrochen wäre.
    Beim Stadttor ließ John es sich klaglos gefallen, dass die uniformierte Stadtwache ihn wie üblich mit finsterer Miene von Kopf bis Fuß abtastete, und er musste achtgeben, was er bei den Fragen nach Herkunft und Bewaffnung zur Antwort gab, weil er mit seinen Gedanken ganz woanders war.
    Als er vom Leith Wyne Port aus in die Leith Wyne eintauchte, fragte er sich abermals, ob es klug war, Madlens Einladung zu folgen.
    Sie lebte in einer anderen Welt, und John bezweifelte, dass er ihr dorthin folgen konnte. Auf Höhe der Flesh Stocks, wo in der Woche der Fleischmarkt abgehalten wurde, hatte er eine grandiose Aussicht auf all die wunderbaren Patrizierhäuser in der oberen Canongate bis hinunter auf die herbstlich bunten Gärten und den dahinterliegenden Holyrood-Palace.
    Der breite Boulevard zur Residenz der schottisch-englischen Könige war mit feinem Kies und Sand ausgestreut und längst nicht so holperig wie die Wege und Straßen außerhalb der Stadt. Die Gegend erschien ihm vergleichsweise ruhig und überaus vornehm – bis auf die Stadtwachen vor dem Tolbooth-Gefängnis, die in grimmiger Eintracht vor den Toren des mehrstöckigen Kerkers auf und ab marschierten. Ansonsten sah man nur ein paar Sänften, eine Kutsche, kaum Fußgänger. John machte einen leichten Bogen um den Tolbooth, an dessen oberen Gitterluken die Arme der weniger gefährlichen Gefangenen heraushingen und ihm zuwinkten. Mörder und Verräter wurden – soweit er wusste – in den Katakomben untergebracht, um eine Flucht von vorneherein zu vereiteln. Auf der gegenüberliegenden Seite sah er am Straßenrand eine alte Frau sitzen, die ihm ein Körbchen mit frisch gebundenen Blumen entgegenhielt.
    In dem Bewusstsein, dass dies kein Zufall sein konnte, und in einem Anflug von Romantik erstand John ein buntes Sträußchen Heckenrosen. Der Duft der Blumen rief ihm augenblicklich den verführerischen Anblick von Madlen in den Sinn und bestärkte sein Verlangen, sie trotz aller Widrigkeiten wiedersehen zu wollen. In etwa einhundert Yards Entfernung erhob sich inmitten einer Häuserfront ein helles vierstöckiges Gebäude mit zahlreichen Fenstern aus gelbem flämischem Glas. Ein untrügliches Zeichen, wie vermögend der Besitzer von Graystoneland – das Haus, in dem Madlen wohnte – sein musste. Im Erdgeschoss hatte sich eine Schneiderei eingerichtet, soweit man das an der Auslage feinster Brüsseler Spitze in einem Fenster erkennen konnte. Am hinteren Eingang, der zu den übrigen Stockwerken führte, hing eine Glocke.
    John drehte sich noch einmal um, im Zweifel, ob er tatsächlich läuten sollte. Was wäre, wenn ihm Cuninghame trotz Madlens Zusicherung für ein ungestörtes Treffen ein weiteres Mal begegnete. Die Einfahrt

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