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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Dutzende Augenpaare, die ihn beobachteten.
    A Iain, a charaid – mein lieber John
, las er unter den ersten Strahlen der Morgensonne, die sich durch die leicht geöffneten Holzläden kämpften.
    Es tut mir so leid, dass ich gestern offenbar einen solch schlechten Eindruck bei Dir hinterlassen habe. Aber die Dinge stehen nicht so, wie Du vielleicht denkst. Und sie stehen sicher auch nicht so, wie man es sich in den Straßen von Edinburgh hinter vorgehaltener Hand erzählt. Meine Einladung zum Tee heute Nachmittag besteht fort, und ich würde mich unglaublich freuen, wenn Du mir Deine Aufwartung machen würdest. Nicht nur, um von alten Zeiten zu sprechen, sondern auch, um an neue anknüpfen zu können. Ich verspreche Dir, dass es diesmal keine ungebetenen Störungen geben wird. Falls Du Fragen hast, werde ich Dir diese gerne beantworten. Gib mir noch eine Chance, John – jene, die ich bisher nie hatte.
    Le cridhe lan – herzlichst
    Deine
    Madlen
    John atmete tief durch. Verdammt, sie war ihm zuvorgekommen.
    »Und? Was ist es?«, krakeelte Paddy neugierig.
    Randolf, ein hünenhafter Norweger mit weißblondem Haar, grinste breit. »Ich gehe jede Wette ein, dass es ein Liebesbrief ist«, bemerkte er amüsiert. »Warum sonst hat sich unser guter John so schick gemacht, geradeso, als ob wir zu Madame Rochéz ins Freudenhaus gehen würden?«
    »Ich dachte, wir sind heute im Half Moon?«, rief Paddy mit glucksender Stimme und warf John einen vielsagenden Blick zu. »Oder habe ich was verpasst, und wir haben schon Monatsanfang?«
    Grölendes Gelächter brandete auf. John versuchte vergeblich seine Verlegenheit und seinen Ärger zu unterdrücken. Dabei ging es ihm nicht um das stadtbekannte Hurenhaus, dessen Dienste sie einmal im Monat gemeinschaftlich in Anspruch nahmen. Er wollte nicht, dass seine Kameraden erfuhren, dass er an einer ganz speziellen Frau interessiert war – schon gar nicht, wenn es sich dabei um die Mätresse eines berüchtigten Parlamentsabgeordneten handelte.
    »Wer ist sie denn?« Paddy gab keine Ruhe. Er saß oben in seiner Koje und ließ seine nackten, mit Krampfadern übersäten Beine herabbaumeln, wie ein Kind auf einer Schaukel. Dabei zog er verschiedene Grimassen und schürzte die Lippen, als ob er John einen Kuss zuwerfen wollte.
    »Die mannstolle Meg vom White Hart Inn.« John warf einen finsteren Blick in Paddys Richtung und klappte den Brief zu, in der Hoffnung, dass der Ire nun endlich den Mund halten würde, doch damit wurde die allgemeine Stimmung nur noch mehr angeheizt.
    »Bevor du dich an Meg vergreifst, solltest du lieber auf die üppige Paula im World’s End setzen«, riet ihm Arne mit heiserer Stimme. Danach folgte ein von Hustenanfällen unterbrochenes Kichern. »Sie melkt dich für fünf Pence«, krächzte er weiter. »Dabei ist sie so ungestüm, dass dir Hören und Sehen vergeht.«
    »Vielleicht wäre es in deinem Alter besser, schleunigst die Hure zu wechseln«, erwiderte John und schenkte Arne ein ironisches Grinsen. Er gab dem schwindsüchtigen Holländer höchstens noch ein gutes halbes Jahr, bis er das Zeitliche segnete. Was folgte, war das haltlose Lachen der übrigen Männer, zumal Arne wegen seiner Schwerhörigkeit offenbar Johns Antwort nicht verstanden hatte.
    Micheal und Malcolm saßen mit roten Ohren auf ihren Betten und folgten der angeregten Diskussion unter den erwachsenen Männern über die Huren der Stadt und ihre Preise. John war froh, dass sich die Aufmerksamkeit der Männer von ihm abgewandt hatte. Mit einem kurzen Wink bedeutete er dem jungen Mohren, dass er ihn nach draußen an die frische Luft begleiten sollte.
    Als John die Tür unter dem Protest der zurückgebliebenen Männer geschlossen hatte, ging er vor dem Jungen in die Hocke, um auf Augenhöhe mit ihm sprechen zu können.
    »Wie ist dein Name?«
    Der Junge schaute verdutzt. Offenbar kam es nicht oft vor, dass sich jemand für ihn persönlich interessierte.
    »Wilbur.« Sein Blick war immer noch schüchtern.
    »Also gut, Wilbur. Sag deiner Herrin, dass ich nicht weiß, ob es in Ordnung ist, wenn ich sie besuche. Sag ihr, ich brauche Bedenkzeit.«
    Der Junge rümpfte sein Stupsnäschen zu einer unzufriedenen Miene und rückte sich seinen türkisfarbenen Turban zurecht. »Madame Madlen hat mir aufgetragen, mich nur mit einem Ja oder einem Nein zufriedenzugeben, wobei sie ausdrücklich sagte, sie hoffe auf ein Ja.«
    John stieß einen Seufzer aus und erhob sich schnaubend. »Wie hast du mich überhaupt

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