Die Teufelshure
»Die berühmte Schauspielerin?«
»Genau die!« Dough schien ziemlich überzeugt zu sein, dass er einen Treffer gelandet hatte.
Lilian schüttelte den Kopf. »Du musst dich irren, Dough. Die ist vor ein paar Wochen gestorben und mit einem ziemlichen Brimborium zu Grabe getragen worden. Zehntausende haben ihr in New York die letzte Ehre erwiesen. Angeblich hatte sie einen Herzinfarkt. Es gab sogar Stimmen, die behaupteten, sie sei umgebracht worden – vermutlich Aids oder Tablettenmissbrauch, jedenfalls irgendwas Unangenehmes, mit dem die Angehörigen nicht an die Öffentlichkeit gehen wollten. Sogar der Friedhof, wo sie beerdigt worden sein soll, wurde geheimgehalten.«
»Was ist, wenn sie gar nicht tot ist?« Dough, der seinen Blick von der Frau kaum zu lösen vermochte, sah Lilian mit hochgezogenen Brauen an. »Was ist, wenn sie hier ist und sich nur eine Auszeit nimmt? Soll ich sie fragen?«
Er war schon halb aufgestanden, doch Lilian hielt ihn am Arm fest.
»Lass das, Dough!« Ihr Blick war unmissverständlich. »Ich habe in der letzten Nacht genug Verrücktes erfahren – das reicht für den Rest meines Lebens. Fehlt mir noch zu meinem Glück, dass du hier Tote ausgräbst.«
»Ich grabe sie nicht aus«, erwiderte Dough gereizt. »Sie sitzt dort – ich muss sie nur ansprechen.«
»Nein!« Lilians strenge Miene ließ keinen Zweifel daran, dass ihre Nerven blank lagen.
Bran kam zurück und lotste sie an einen der wenigen freien Tische, die in einer abgelegenen Ecke des Raumes standen.
»Ist das Helen Rotherford?« Dough hielt Bran am Arm fest und nickte in Richtung der Frau.
Bran blickte erstaunt auf. »Glaube schon«, sagte er knapp und grinste. »Aber wenn du nur ein Wort darüber verlierst, muss ich dich leider töten.«
»Ich habe dir doch gesagt: Lass es gut sein«, zischte Lilian. Helen Rotherford lebte! Es war unfassbar.
Als sie sich gesetzt hatten, zückte Bran sein Mobiltelefon. Er sprach Gälisch. Lilian konnte sich denken, dass er sich mit John unterhielt. Er nickte, bevor er auflegte. »John wird nach dem Frühstück zu uns stoßen, und dann geht es in Sektion 1 A. Ich weiß nicht, was er mit euch vorhat, aber vielleicht solltet ihr nicht so viel essen.«
Lilian spürte, wie ihre Nervosität wuchs. Als John schließlich erschien, empfand Lilian beinah so etwas wie Erleichterung, obwohl er sie in Gegenwart von Dough und Bran nur förmlich begrüßte.
»Gut geschlafen?«, fragte er beiläufig und setzte gekonnt sein atemberaubendes Lächeln ein, um ihr aufgewühltes Gemüt zu beschwichtigen.
Lilian nickte nur und konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen: »Noch besser wäre es gewesen, wenn ich nicht alleine aufgewacht wäre.«
»Sorry«, erwiderte er und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Es ging leider nicht anders.«
Wie zum Ausgleich legte er ihr seine warme Hand auf den Rücken und dirigierte sie zu einer offen stehenden Flügeltür.
»Wir sind da«, verkündete er.
John hatte sie zu einem kleinen Kino geführt. Außer ihm, Lilian, Dough und Bran befand sich niemand in dem schwarzgestrichenen Raum mit den etwa fünfzig blauen Polstersesseln. John bat Lilian und ihren Begleiter, neben ihm und Bran in der obersten Reihe Platz zu nehmen.
»Was ich euch jetzt zeigen möchte«, erklärte John, »ist keine geschönte Promotion-Veranstaltung, um für CSS zu werben. Es ist ein streng geheimer Film für neu rekrutierte Mitarbeiter. Damit sie im Bilde sind, was auf sie zukommt und mit welchen Herausforderungen sie es zukünftig zu tun haben.«
Ein Angestellter eilte herbei, und bevor er die Tür zum Korridor schloss, gab John ihm mit einem Fingerzeichen zu verstehen, dass die Vorführung beginnen konnte.
Auf der Leinwand erschien das Logo von CSS, und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter erklärte in sachlichem Tonfall die Gründungsjahre der internationalen Söldnerorganisation und den Beginn einer Odyssee von sieben Männern, die nunmehr schon mehr als dreihundertfünfzig Jahre andauerte. Dabei ließ er die zahlreichen Todesfälle und Neuzugänge im Laufe eines langen, brutalen Kampfes gegen die Einflussnahme der sogenannten Panaceaer nicht aus. Einer Organisation, die das ultimativ Böse verkörperte und von Lord Chester Cuninghame und seinem geistigen Führer, Bruder Mercurius, geleitet wurde, auf dessen Aussehen und Gestalt man sich nicht festlegen wollte, weil er wandlungsfähig war, und der in den Augen seiner Widersacher niemand anderes sein konnte als der
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