Die Teufelshure
Spinnennetz. Ist das Opfer einmal darin gefangen, kann es nur noch mit mächtiger Hilfe von außen entkommen, was allerdings in deinem Fall nicht sehr wahrscheinlich ist. Diese Lektion müsstest du bei John eigentlich schon gelernt haben.«
Ja, das hatte sie. Und auch sie und Dough hatten die Hilfe eines Unbekannten in Anspruch genommen, ohne dessen Zutun sie immer noch in Mugan Manor sitzen würde. Aber dass sie mit ihrer Flucht vom Regen in die Traufe geriet, hatte sie nicht erwartet. Der Flug dauerte nicht lange. Ihrer Orientierung nach ging der Helikopter in einem unzugänglichen Gebiet mitten auf der Isle of Mull herunter. Die Umgebung erinnerte Lilian an eine gebirgige Mondlandschaft. Zwischen Felsen und Hügeln war eine Burgruine zu sehen. Das ehemals trutzige Gemäuer wies immer noch drei hohe Türme auf, der vierte war irgendwann eingestürzt. Zwischen den Ruinen hatte man ein paar neuere Mauern errichtet, aber es waren keinerlei Wohngebäude zu sehen und auch nichts, wo man hätte kampieren können. Der Vorteil des Objekts lag auf der Hand. Weit und breit war nichts zu finden, wo man sich hätte verbergen können. Es gab keinerlei Zufahrtswege, sondern nur Trampelpfade, die nach kurzer Zeit zu Steilhängen führten, an denen kein Wagen Halt finden konnte. Der Landeplatz des Helikopters war lediglich eine freie staubige Fläche und nicht mit dem Hangar von Mugan Manor zu vergleichen.
Lilian war versucht zu fragen, ob man sie hier einfach aussetzen wollte. Dann jedoch kam ihr der furchtbare Gedanke, vielleicht wollte man sie umbringen, weil es niemanden auffallen würde und niemand auf die Idee käme, ausgerechnet hier ihre Leiche zu suchen.
»Es wäre wohl einfacher gewesen, dich über dem Sound of Mull rauszuwerfen. Den Sturz hättest du nicht überlebt, und bis man dich gefunden hätte, wärst du Fischfutter gewesen.« Bruder Mercurius hatte wirklich eine charmante Art, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Der Unterschied zu Mugan Manor wurde Lilian vollständig klar, nachdem der Helikopter gelandet war. Eine unsichtbare Hydraulik ließ den Boden wie auf einem Flugzeugträger absinken. So wurden sie im wahrsten Sinne des Wortes vom Erdboden verschluckt – in ein unterirdisches Reich mit einigen architektonischen Raffinessen. Dass hier alles mindestens so gut gesichert war wie bei CSS, stand außer Frage. Überall liefen bewaffnete Typen umher, und jeder Winkel wurde mit schwenkbaren Kameras ausgespäht.
Lilian wunderte sich, dass der Bau nicht weit entfernt von Johns Hauptquartier gelegen war. Warum hatte er bei all seinen Erläuterungen über seine Feinde nichts von dieser Bedrohung erwähnt? Aber wahrscheinlich existierten Hunderte solcher Maulwurfshügel auf der ganzen Welt, und es war schwer, den Überblick zu behalten.
Je weiter sie in das Innere der Katakombe vorstießen, umso klarer wurde Lilian, worin der eigentliche Unterschied zu Johns Refugium bestand. Hier war nichts modern, nicht die Möbel, die in den kärglich beleuchteten Gängen herumstanden, und auch nicht die unverputzten Wände, die ihr wie aus einem längst vergangenen Jahrhundert erschienen. Der einzige Wandschmuck bestand aus alten Ölgemälden, auf denen Motive von Tarotkarten zu sehen waren. Dazwischen flackerten Kerzen und bezeugten, dass es hier unten irgendwo eine natürliche oder künstliche Luftversorgung geben musste.
Gefolgt von zwei Wachleuten, brachte Mercurius sie in einen fensterlosen Rundsaal, der, mit etlichen brennenden Standkerzen ausgestattet, den Eindruck einer Krypta vermittelte.
»Passt auf sie auf, damit sie nicht auf dumme Ideen kommt. Bruder Chester wird gleich erscheinen.« Dem Ton nach schien Bruder Mercurius chronisch schlechte Laune zu haben. Ohne Abschied rauschte er davon. Kein Wunder, wenn man bedachte, in welcher Weise John seiner Belegschaft zusetzte. Lilian schaute sich geduldig um. Eine seltsame Ruhe hatte von ihr Besitz ergriffen. Schlimmer kann es nicht kommen, dachte sie tapfer. Als kurz darauf drei Männer den Raum betraten und zwei davon zu ihrer Familie gehörten, wusste sie, dass dieser Spruch nicht der Wahrheit entsprach.
Marek hatte Dough zu einer Dusche verholfen und ein paar Kleider aus seinem eigenen Fundus überlassen, die dem Schotten zu lang und zu eng waren, aber Hauptsache, er konnte sich seiner stinkenden Sachen entledigen. Dough staunte nicht wenig, als die Polizei endlich eintraf und sich bereits die beschriebene Unfallstelle angesehen hatte. Allerdings hatte
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