Die Teufelshure
ahnen, welches schreckliche Geheimnis sich hinter ihrer Familiengeschichte verbarg? Zumal sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal selbst wusste, dass sie eine Leibeigene der Bruderschaft war.«
»Leibeigene? Was soll das heißen?« Lilians Blick schnellte zu Chester Cuninghame zurück, der nun offenbar zu weiteren Erklärungen bereit war.
»Madlen war mein Besitz«, erklärte er kühl. »Und alles, was sie hervorgebracht hat, gehört mir ebenfalls. Dass sie von Cameron ein Kind erwartete, war nicht geplant, und als es sich herausstellte, wussten wir nicht, ob es vor seiner Umwandlung oder erst hinterher gezeugt worden war. Wir mussten unbedingt wissen, ob ein umgewandelter Mann ein Kind zeugen kann, und wenn ja, welche Auswirkungen es auf das Kind hat. Damals war nicht bekannt, dass das Elixier Zeugungsprobleme verursacht. Lediglich Initiierte hatten ihre Probleme. Mercurius hatte in weiser Voraussicht Madlens Seele gezeichnet, um sie jederzeit auffinden zu können, und dabei, ohne es zu wissen, den Fötus beeinflusst. So konnte er mit ihr und – wie sich später herausstellte – mit all ihren Nachfahren jederzeit in einen telepathischen Kontakt treten und mitunter ihre Gedanken beeinflussen.«
»Und warum musste Madlen sterben?« Lilian sah ihn ausdruckslos an. »Es hätte doch völlig ausgereicht, sie zu entführen und abzuwarten, bis das Kind zur Welt kommt?«
»Wir wollten nicht nur Madlen und das Kind. Wir wollten vor allem John Cameron samt seinen Männern und mussten auf einen günstigen Augenblick warten. Auf der Jagd nach ihnen wurde Madlen versehentlich angeschossen. Der Tod hatte bereits seine Hand nach ihr ausgestreckt. Selbst Mercurius konnte nichts mehr daran ändern.«
»Ich denke, die Bruderschaft besitzt Eternity. Hätte man sie damit nicht retten können?«
»Wir hätten das Kind gefährdet, und das wollten wir nicht. Das Experiment hat immer Vorrang vor den Interessen eines Einzelnen.«
»So wie das Geld Vorrang vor allem anderen hat?« Lilian lächelte schwach.
»Ich sehe, wir finden einen gemeinsamen Nenner.« Cuninghame setzte eine belehrende Miene auf. »Wobei wir einem höheren Zweck dienen. Uns geht es nicht um Geld.«
»Das behaupten doch alle«, entgegnete Lilian ironisch. »Und um was geht es? Um die Wahrheit? Darum, dass Bruder Mercurius bekommt, was er will?«
»Er ist der Heiligste unter uns. Er lebt länger als wir alle, und nur durch ihn war es möglich, dorthin zu kommen, wo wir heute sind.«
»Ist er der Teufel?« Obwohl es Lilian absurd vorkam, diese Frage zu stellen, war sie doch an einer Antwort interessiert. Alleine schon deshalb, weil sie wissen wollte, ob es für das Phänomen »Mercurius« überhaupt eine Erklärung gab.
»Er ist ein Gesandter des Satans«, erklärte Cuninghame ohne ein Wimpernzucken. »In den Tiefen Afrikas wurde er vor vierhundert Jahren als Passagier eines gesunkenen französischen Sklavenschiffes gerettet und von eingeborenen Medizinmännern in das Geheimnis dämonischer Kräfte eingeweiht. Sie verfluchten seine Seele auf ewig, und weil sie ihre Tat bereuten, gaben sie ihm etwas an die Hand, das ihn unsterblich werden ließ. Seitdem verfügt er über Kräfte, die kein anderer Mensch auf dieser Erde besitzt. Die Bruderschaft der Panaceaer darf sich geehrt fühlen, dass er uns seine Fähigkeiten zur Verfügung stellt.«
»Verantwortet er den Tod meiner Mutter?«
»John Cameron hat unsere Mutter auf dem Gewissen.« Es war Alex, der Cuninghame nun ins Wort fiel und dafür einen missbilligenden Blick seines Meisters erntete.
»Du lügst!« Lilian sah ihn entsetzt an. Dabei hielt sie nichts für unmöglich. John machte seit dreihundert Jahren Jagd auf Angehörige der Panaceaer. Dass es ihm und seinen Leuten mitunter nicht mehr gelang, Freund und Feind zu unterscheiden, hatte sie am eigenen Leibe erfahren.
»Alex hat recht.« Die Stimme ihres Vaters klang wie von weit entfernt. »Ich habe die Untersuchungsberichte erst vor wenigen Tagen zu lesen bekommen. Camerons Leute haben sie verfolgt, als sie mit dem Wagen verunglückt ist. Und dann haben sie sie einfach verbluten lassen.«
Lilian konnte es kaum glauben. Wenn John jemand verfolgte und anschließend stellte, nahm er ihn in Gewahrsam, um ihn zu untersuchen.
Aber vielleicht waren die Zeiten damals anders gewesen. Nur, warum hatte er ihr nichts davon erzählt? Vielleicht damit sie keinen schlechten Eindruck von ihm bekam, oder weil es ihm im Nachhinein leidtat? Vielleicht hatte er auch gar
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