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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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viel kleinere, längliche und mit Schafwolle ausgelegte Metallkiste, in der er seit mehr als zwei Jahren seine Waffen verborgen hielt, um sie vor Rost zu schützen. Nachdem er den letzten Rest Erde mit den Händen beiseitegeschaufelt hatte, barg er die Kiste und sah sich noch einmal sorgsam um, bevor er den Deckel öffnete. Aus der Kirche war der näselnde Sermon eines Priesters zu hören, der vor einer Weile mit Glockengeläut zur Messe gerufen hatte.
    John hob beunruhigt den Kopf. Nach einigem Suchen fiel sein Blick auf ein offenes Grab am Ende des Friedhofs. Er musste sich beeilen, wenn er unbeobachtet davonkommen wollte. Hastig nahm er den in Samt eingeschlagenen schweren Degen und legte das dazugehörige Schwertgehenk an, dessen breiter Haltegurt quer über seine Brust verlief. Dann steckte er den gut eine Elle langen Parierdolch in die Lederscheide. Degen und Dolch waren beide so spitz, dass man einer Fliege das Auge hätte ausstechen können, und immer noch scharf genug, um einem Gegner mühelos den Wanst aufzuschlitzen. John förderte zudem einen mit Stoff umwickelten Krug zutage, der sich neben der Kiste befunden hatte, und zerschmetterte ihn mit einem dumpfen Aufprall auf einem am Boden liegenden Stein. Zwischen den Scherben fand sich ein Lederbeutel, der mit zehn Goldguinean und dreißig Merks gefüllt war – alles zusammen ein Vermögen im Wert von mehr als einhundert englischen oder gut tausend schottischen Pfund. John steckte den Beutel in seine Felltasche, die er verborgen unter dem Plaid an einem Taillengürtel trug.
    Voller Ungeduld warf er die Einzelteile in die Kiste und die restlichen Scherben in das offene Erdloch und schaufelte Brodies Grab wieder zu. Genauer betrachtet, hatte die Stelle die Bezeichnung Gottesacker wahrlich verdient. Es sah aus wie ein umgepflügtes Stück Erde, und John machte sich trotz schlechten Gewissens nicht mehr die Mühe, die verbliebenen Grasmatten auf dem Grab zu verteilen, damit es unberührt wirkte.
    Der Pfarrer samt Trauergesellschaft rückte schon hinter der nächsten Mauerecke an, und der Klagegesang der Beerdigungsteilnehmer erhob sich in sphärische Höhen. Brodies Witwe musste beim nächsten Besuch der Grabstätte wohl vermuten, dass »wee Willi«, wie sie ihn früher genannt hatte, als Untoter wiederauferstanden war.
    John ließ den Friedhof rasch hinter sich, indem er sich mit großen Schritten in Richtung Hafenstraße entfernte. Er war wie getrieben, und sein Herz würde sich erst wieder beruhigen, wenn er mit Madlen und dem Jungen auf einer Handelsfregatte gen Frankreich schipperte. Als der Degen beim Gehen klirrend an seinen Oberschenkel stieß, wurde ihm erst bewusst, wie lange er keine solche Waffe mehr getragen hatte. In seiner Erinnerung tauchten plötzlich all jene Gestalten auf, denen er zuletzt beim Sterben in die Augen gesehen hatte, nachdem sein Schwert sie durchbohrt hatte. Er würde sich niemals an das Gefühl gewöhnen können, wenn die Klinge ins Fleisch des Gegners eindrang. In Gedanken nahm er immer noch den Geruch des Blutes wahr, hörte das Keuchen und Röcheln des Opfers, die unbezwingbare Stille, wenn es vorbei war, aber der Degen noch steckte und man ihn mit zusammengebissenen Zähnen wieder herausziehen musste. John war ein erstklassiger Schwertkämpfer. Von Kindesbeinen an hatte sein Lehrer ihm ein außergewöhnliches Talent bescheinigt. Aber er hasste es nun einmal, Menschen zu töten, erst recht, wenn es auf den Befehl eines Tyrannen und in hinterhältiger Absicht geschah. Er hoffte, dass es nie mehr so weit kommen würde oder wenigstens nicht, solange sich Madlen und Wilbur in seiner Begleitung befanden.
    Der Hafen, den er nach kurzer Zeit erreichte, und die majestätischen Schiffe mit ihren hochaufragenden Masten und den weißen Segeln, die sich im Wind blähten, brachten ihn auf andere, schönere Gedanken. Als er die Schreibstube des Schiffsmaklers betrat und seinen Wunsch für drei Passagen nach Frankreich äußerte, hatte sich seine Laune so weit gebessert, dass er von Glück hätte sprechen können. Erst recht, als es danach aussah, als ob seine Pläne ohne größere Umstände zu verwirklichen sein würden.
    »Morgen früh läuft die La vie en Rose aus, mit Zielhafen Calais.« Der Agent sah ihn mit zusammengekniffenen Lidern hinter dicken Lesegläsern an. »Sie ist nicht sehr komfortabel, aber es ist eine der letzten Möglichkeiten, überzusetzen, bevor die Herbststürme beginnen und der Schiffsverkehr eingestellt

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