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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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sich um die Waisen der Stadt kümmert?«
    »Wenn das wahr ist, was du sagst – warum hat ihn dann noch niemand vor Gericht gebracht?«
    »John, dass ausgerechnet du diese Frage stellst? Wir befinden uns mitten im Krieg. England gegen Schottland. Royalisten gegen die Covenanters. Alle gegen Irland. Und dazwischen Männer wie du, aus den Highlands, die nicht wissen, auf welcher Seite sie stehen und sich deshalb von jedem dahergelaufenen Kriegsherrn als Söldner anwerben lassen, wenn er nur laut genug zu brüllen versteht. Von Männern wie Cromwell, der sich kurzerhand zum Nationalhelden ernannt hat, oder zuvor König Charles, auf den nun keiner mehr auch nur einen einzigen Dukaten setzt. Wer in Gottes Namen sollte in diesem Durcheinander noch Ordnung schaffen, geschweige denn sich um die Vernichtung des Satans kümmern? Er ist überall und reibt sich die Hände!« Paddy sah John mit einem Ausdruck im Gesicht an, als ob er ein neues Evangelium zu verkünden gedachte. »Und nicht zu vergessen die Pest«, fuhr er mit erhobenem Finger fort, »die dieser Hölle noch die Krone aufgesetzt hat. Das alles ist die beste Voraussetzung für Burschen wie Cuninghame, um unbeobachtet von aller Welt ihrem teuflischen Anführer zu huldigen.«
    John war anzusehen, dass ihn Paddys Ausführungen beschäftigten.
    »Aber …«, setzte er von neuem an, kam aber nicht weit.
    »Gott ist tot«, schimpfte Paddy und bekreuzigte sich gleichzeitig. »Satan hat heimlich die Herrschaft übernommen. Und er hat seine Helfershelfer wie Cuninghame oder Cromwell, die das Höllenfeuer schüren, damit es schön heiß bleibt.«
    »Du müsstest dich hören«, rief John und lachte matt. »Wenn du so weitermachst, kannst du dich glatt nächsten Sonntag in St. Giles auf die Kanzel stellen und den puritanischen Schwätzern Konkurrenz machen. Sie würden nicht einmal bemerken, dass ein Katholik vor ihnen steht.«
    »Nein, John, es ist wie beim Schach. Wenn du die Dame verlierst, hast du die ganze Partie so gut wie verloren. Und deine Dame taugt erst gar nicht zum Spiel.«
    »Dann spielen wir eben Checkers«, erwiderte John mit einem zuversichtlichen Grinsen. »In diesem Spiel darf die Dame nur jeweils ein Feld weiterziehen. Step by step. Und wenn man die richtige Strategie anwendet, kann man gar nicht verlieren.«

Edinburgh 1647 – »Fegefeuer«
     
    Mit einem Spaten bewaffnet, machte sich John am späten Vormittag nach St. Ninian auf. Das presbyterianische Gotteshaus mit seinem baufälligen Glockenturm lag in der Nähe der Docks, mitten in einem heruntergekommenen Viertel. Der Himmel war klar, und die Sonne spiegelte sich auf dem verschmutzten Wasser des Hafenbeckens. Ein paar Ratten huschten auf der ständigen Suche nach Nahrung umher und taten sich ohne Scheu an den Resten einer toten Taube gütlich.
    John knurrte ebenfalls der Magen. Vor Aufregung hatte er am Morgen noch nicht einmal ein Stück Brot herunterbringen können. Doch an Essen war zunächst nicht zu denken.
    Auf dem Friedhof hinter der Sakristei waren eine stattliche Anzahl ungeordnet aufgestellter Grabsteine zu sehen, an denen man mühelos den Rang der Toten erkennen konnte. Große Monumente waren darunter, mit majestätischen Säulen und Kugeln, bisweilen aus Marmor, mit goldenen Lettern versehen, aber auch etliche kleine bis halbhohe Kalksandsteinblöcke, nur grob behauen und mit verwitterter Aufschrift. Die meisten standen windschief, mit einer Neigung, als drohten sie jeden Moment umzukippen, und doch waren sie anscheinend so fest mit der Erde verankert, als hätten sie Wurzeln geschlagen.
    Der Rasen um die Gräber war beinahe menschenleer. Nur drei alte Weiber, die sich ein paar Yards entfernt vor einem frisch aufgeworfenen Grabhügel versammelt hatten, schauten kurz auf, als sich John daranmachte, Brodies letzte Ruhestätte sorgfältig vom spärlichen Grün zu befreien, bevor er die Erde herauszuschaufeln begann. Wahrscheinlich hielten die Frauen ihn für den neuen Totengräber, denn sie sagten kein Wort, als er mit ruhigen Zügen den lockeren Untergrund neben sich aufwarf. Nach zwei Ellen stieß er auf einen harten Gegenstand, aber es war kein Sarg. Holz war nicht nur unglaublich teuer, weil es wegen der hohen Steuern aus Norwegen beschafft werden musste, es existierte darüber hinaus eine ungeliebte königliche Anweisung, dass Verstorbene lediglich in einem wollenen Leichentuch zu bestatten waren. Bei dem Gegenstand, den John so unvermittelt freigelegt hatte, handelte es sich um eine

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