Die Teufelshure
er einen Krug vom Bord und hielt ihn unter den Zapfhahn eines Whisky-Fässchens, das auf einem niedrigen Schränkchen stand. Er füllte den Becher randvoll und nahm zunächst selbst einen kräftigen Schluck, bevor er ihn an die Magd weiterreichte. Zitternd führte die Frau den Krug an die Lippen und leerte ihn in einem Zug.
»Und?«, fragte John, als sie den Krug abgesetzt hatte. »Geht es jetzt besser?«
»Aye«, flüsterte die Frau, vermied es aber, ihm in die Augen zu sehen.
»Na also, wir sind doch keine Unmenschen. Und nun erzählt mir, was es mit den Gezeichneten auf sich hat.«
Die Frau räusperte sich und sah sich nach ihren beiden Mitstreiterinnen um, und als sie von dort keine Hilfe erhielt, wanderte ihr Blick zu den gefesselten Männern, die genauso schweigsam verharrten.
»Unmenschen wäre durchaus das richtige Wort«, stieß sie bebend hervor. Dann sah sie John in die Augen, prüfend, als ob sie nach etwas suchte, das ihr versicherte, ihm vertrauen zu können. »Ihr seid keine Menschen. Ihr wart es vielleicht einmal, doch nun seid Ihr es nicht mehr.«
John schenkte ihr ein irritiertes Lächeln und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Wie soll ich das verstehen?«
»Versucht, das Mal zu entfernen.« Die Frau sah ihn herausfordernd an.
Paddy gab seinen Degen an Ruaraidh weiter und entledigte sich seiner Jacke. Dann zog er das Hemd aus. »Darauf hätte ich schon früher kommen können«, brummte er und hielt John die nackte Schulter entgegen. Mit einem Finger deutete er auf die Tätowierung, dann übergab er John einen Kurzdolch, den er zuvor einem der Gefangenen abgenommen hatte.
»Schneid es heraus!«
»Was?« John sah ihn ungläubig an.
»Schneid es heraus, verdammt, bevor ich es mir anders überlege.«
John überwand sich und setzte die Spitze des Dolches unterhalb des seltsamen Gebildes an. Dann stieß er mit der flachen Klinge in die Hautoberfläche. Paddy gab einen zischenden Laut von sich, und John schnitt das Mal aus Paddys Schulter, wie die faule Stelle eines Apfels. Blut quoll aus der Wunde heraus, und das Hautstück fiel zu Boden, nachdem John den letzten Zipfel abgeschnitten hatte. Doch bevor er ein herumliegendes Stück Leinen auf die Wunde pressen konnte, war das Fleisch ohne Narbenbildung nachgewachsen, und das Mal hatte sich erneuert.
»Es geht nicht mehr weg!« Paddy sah John entsetzt an, und auch in den Augen der übrigen Kameraden machte sich Panik breit.
»Man hat Euch verhext, Sir«, erklärte die Frau.
John wandte sich um und sah in die entgeisterten Gesichter seiner Kameraden.
»Das sieht doch ein Blinder. Die sind noch nicht fertig«, plapperte ein Knecht dazwischen, der augenscheinlich nicht so dumm war, wie es sein tumber Gesichtsausdruck vermuten ließ. »Schätze, die Jungs sind abgehauen, bevor der Lord es zu Ende bringen konnte. Das ist der Grund, warum sie sich so merkwürdig benehmen und nicht wissen, was mit ihnen geschehen ist.«
»Halt dein loses Mundwerk, Harry!«, polterte der Liebhaber der Schwarzhaarigen. Jetzt hatte auch er es mit der Angst zu tun bekommen, wie John unzweifelhaft riechen konnte.
»Was meint er, wenn er sagt, wir seien noch nicht fertig?« John wandte sich erneut an die Magd.
»Ich weiß es nicht, Herr.« Die Frau log – auch das konnte John spüren. Tränen traten in ihre Augen.
Während sie zu schluchzen begann und um Gnade flehte, erhob sich die Schwarzhaarige und kam zu John an den Tisch. Sie schaute ihm geradewegs in die Augen.
»Harry meint«, begann sie zögernd, »dass man noch keinen willfährigen Lakaien aus Euch gemacht hat, der auf Befehl jegliches Leben auslöscht, ganz gleich, ob es sich um Frauen und Kinder handelt. Es bedeutet, dass Ihr womöglich noch Herr Eurer Seele seid und nicht gänzlich dem Leibhaftigen geweiht wurdet.«
»Moira«, stieß der Söldner hervor. »Sei still, du redest dich um Kopf und Kragen. Du weißt,
er
kann alles sehen und alles hören, wenn er es nur will!«
Das Mädchen stockte einen Moment. John ergriff ihre Hand und drückte sie sanft. »Bitte, sprich weiter«, sagte er leise.
»Ich kann es an Euren Augen erkennen«, erklärte sie mit einem zaghaften Lächeln. »Sie sind klar und grün und nicht schwarz und leblos. Ihr solltet schleunigst das Weite suchen. Sie werden Euch jagen. Der Lord hat noch jeden bekommen, den er haben wollte. Er ist mit den Mächten der Finsternis im Bunde und hat mehr Einfluss auf die Geschicke der Menschen als das Parlament und der König
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