Die Teufelshure
die Nähe von Edinburgh wagen würden. Dort wimmelte es von Toun Rats, den sogenannten Stadtbrigaden, und zudem konnte niemand wissen, wie sehr ihnen Cuninghames Söldner schon auf den Fersen waren.
John war der Letzte, der Paddys Bitte abschlagen durfte. Schließlich hatte der Ire ihm selbstlos geholfen, Madlen zu retten. Allerdings war es fraglich, ob Rosie von Paddys Idee, sie auf die Flucht mitzunehmen, begeistert sein würde.
»Was macht dich so sicher, dass sie dir folgen wird?« John sah Paddy mit einer hochgezogenen Braue an. Rosie war ein Mädchen aus den Lowlands. Auch wenn sie aus einfachen Verhältnissen stammte und ihr halbes Leben mit besoffenen Kerlen in einer Schankstube verbracht hatte, war sie doch einen geregelten Alltag gewöhnt. Der Hunger, der Kampf und die mitunter ungehobelten Sitten, die sie weiter im Norden erwarteten, verlangten eine raue Natur.
»Sie liebt mich«, antwortete Paddy schlicht. »Und wenn es für mich nicht reicht, für dich reicht es auf jeden Fall«, schob er mit leicht sarkastischem Unterton hinterher. Er würde nie damit zurechtkommen, dass Rosie an ihm zwar interessiert war, ihr Herz aber für John schlug.
John verzog keine Miene, doch ein Blick auf Madlen offenbarte ihm das ganze Problem. In Rosies Vorstellung war sie eine niederträchtige Mätresse, die nicht nur seine Verurteilung zum Tode zu verantworten hatte, sondern auch das Schicksal der übrigen Männer. Dass Rosie darüber hinaus an ihm einen Narren gefressen hatte, war hinlänglich bekannt und machte die Sache nicht leichter. Wenn er nicht höllisch aufpasste, würde nicht Cuninghame das Problem sein, sondern zwei rivalisierende Frauen und ein eifersüchtiger Ire. Andererseits musste er Paddys Bedenken recht geben. Es war durchaus zu vermuten, dass Cuninghame auf seiner Suche nach den entflohenen Gefangenen zuerst bei der jungen Schankhure anklopfen würde. Schon allein der Gedanke, dass sie dessen seelenlosen Schergen hilflos ausgeliefert sein würde, ließ John erschauern.
»Also gut«, sagte er schließlich und rief zum Aufbruch.
»Was ist das für ein Mädchen, von dem Paddy gesprochen hat?«, fragte Madlen ihn prompt, als sie eine Meile geritten waren.
»Sie ist seine Freundin«, antwortete John ausweichend und lenkte seinen Hengst auf einen Hohlweg hinunter zur Küste, von wo aus sie auf die Straße nach Restalrig gelangten.
»Und was hast
du
mit dem Mädchen zu schaffen?« Madlen ließ nicht locker. John stieß einen verhaltenen Seufzer aus. So waren die Frauen. Für sie spielte es offenbar keine Rolle, welche Qualen er wegen ihr die letzten Tage durchlebt hatte. Auch nicht, dass er sich fühlte, als würde er im Körper eines Fremden stecken, weil er noch immer nicht damit zurechtkam, in der Nacht sehen zu können und das Gehör eines Hundes zu haben. Doch er sah es Madlen nach, weil sie nichts davon ahnen konnte und er mit einem Mal ihre Angst spürte, ihn ein weiteres Mal zu verlieren – nicht an Cuninghame und seine Schergen, sondern an eine andere Frau. Er vergrub sein Gesicht in ihrem wehenden Haar und küsste ihren warmen Nacken.
»Es wird nie eine andere für mich geben«, raunte er leise. »Ich liebe dich mehr als mein Leben, oder denkst du ernsthaft, sonst wäre ich in Wichfield Manor aufgekreuzt, um dich zu retten?«
»Nein«, flüsterte Madlen mit erstickter Stimme. »Es tut mir leid. Ich wollte nicht …« Ihr Herz schlug stärker, und ihre Angst schien noch zu wachsen. John fasste sie fester um die Taille. »Sch…«, machte er leise. »Du brauchst keine Sorge zu haben, Madlen, solange ich lebe, werde ich bei dir sein und noch darüber hinaus.«
Restalrig war ein vergleichsweise schmucker Ort mit zehn weißgetünchten Häusern, einer presbyterianischen Kirche und einer gepflasterten Straße. Was ansonsten zum Vorteil geriet, erwies sich hier als Problem. Die eisenbeschlagenen Hufe der Pferde klapperten so laut, dass das halbe Dorf aus dem Schlaf hochschrecken würde, wenn sie sich nicht vorsahen. John lenkte sein Pferd auf die seitliche Grasnarbe, die anderen folgten ihm. Unbemerkt erreichten sie die bescheidene Fischerkate hinter dem Friedhof, in der Rosie mit ihrer Mutter lebte. John und Paddy mochten die ältere Frau nicht, die regelmäßig im Half Moon Inn aufgetaucht war, um den Lohn ihrer Tochter zu versaufen. Nicht nur durch Rosies Anstellung in der Schänke konnte sich auch die Alte einen bescheidenen Luxus leisten. Mitunter war es Rosies Mutter es selbst gewesen, die
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