Die Teufelshure
für das Mädchen die Freier beschaffte, um noch mehr Geld zu verdienen. Paddy hatte das habgierige Weib schon oft verflucht und Rosie bekniet, sie solle ihre unehrenhaften Liebesdienste an den Nagel hängen und mit ihm in die Neue Welt gehen, doch die Alte hatte ihre Tochter zu gut im Griff, als dass Rosie so ohne weiteres davongelaufen wäre.
Lautlos hatten John und Paddy sich in die gute Stube geschlichen.
Paddy legte dem Mädchen seine große, warme Hand auf den Mund, bevor sie in Todesangst ihre himmelblauen Augen aufriss. Ihre Mutter lag schnarchend auf einem Strohsack am glimmenden Kaminfeuer und merkte von alledem nichts.
Rosie machte Anstalten sich zu wehren, doch Paddy hatte sie fest im Griff. Erst als sie Johns Gesicht im schwachen Lichtschein der Glut erkannte, entspannte sie sich. John legte einen Zeigefinger auf seine Lippen, um ihr zu bedeuten, dass sie ihre schlafende Mutter nicht aufwecken sollte.
Flüsternd wies Paddy sie an, ein paar Sachen zusammenzupacken und ihm nach draußen zu folgen. Im Nachthemd und nur mit einem Dreieckstuch um die Schultern stand Rosie wenig später mitten im Hühnerhof und hörte sich ungläubig Paddys Vorschlag an, sie mit in die Highlands zu nehmen.
»Ich kann meine Mutter nicht alleine lassen!«, erklärte sie zögernd. »Und dann noch ohne ein Wort!«
»Rosie«, schnaubte Paddy. »Du wolltest mit mir nach Amerika gehen! Wenn du hierbleibst, werden Cuninghames Schergen hier auftauchen und dich foltern, bis du deinen Namen nicht mehr kennst. Sie werden jeden, der mit uns zu tun hatte, bis aufs Blut ausquetschen, so lange, bis sie wissen, wo wir zu finden sind.«
»Heilige Scheiße!« Rosie sah sich verzweifelt um. Plötzlich fiel ihr Blick auf Madlen. »Das ist doch …« Sie verschluckte sich fast und musste erst nach Luft ringen, bevor sie weitersprechen konnte.
Paddy kam ihr zuvor und legte ihr einen Arm um die Schultern. Dann führte er sie ein Stück von den anderen weg.
»Hör zu!«, flüsterte er streng. »Es tut mir leid, aber du wirst dich jetzt sofort anziehen und mit uns kommen. Deine Mutter wird es auch ohne dich schaffen. Es ist außerdem besser, wenn sie nicht weiß, wo du bist. Dann kann sie Cuninghames Häschern mit voller Überzeugung antworten, du seist ihr davongelaufen. Und wenn du mich fragst, hat sie dich ohnehin lange genug ausgenutzt.«
»Aber …« Rosie versuchte abermals zu widersprechen.
»Nichts aber«, knurrte Paddy düster. »Ich kann dich nicht hierlassen. Es ist zu gefährlich.«
»Ich weigere mich, mit dieser Hexe zu reisen«, zischte sie. »Ganz gleich, wohin! Sie ist schuld, dass man euch verhaftet hat. Und nicht nur das! Ich bin beinahe vergangen vor Angst, nachdem ich feststellen musste, dass man euch aus dem Gefängnis geholt hat. Offiziell wurde uns gesagt, man habe euch nach Übersee verschifft. Von John haben sie erzählt, er sei über Nacht an der Ruhr gestorben und man habe seine Leiche verbrennen müssen.« Energisch tippte sie sich gegen die spärlich bekleidete Brust. »Ich habe tagelang nur noch geheult, weil ich glaubte, keinen von euch je lebend wiederzusehen. Und als ihr gerade vor mir standet, glaubte ich, Gespenster zu sehen!«
Paddy drückte sie stumm an sich. Unvermittelt begann Rosie zu weinen.
»Ist schon gut«, versuchte er das Mädchen zu beruhigen. »Komm jetzt, wir dürfen keine Zeit verlieren. Und was Madlen betrifft …« Er zögerte einen Augenblick, als er spürte, wie sie sich in seinen Armen versteifte. »Sie ist genauso Cuninghames Opfer, wie wir es sind. Ich erkläre dir alles später. Versprochen.«
John war froh, dass die Frauen sich in der Dunkelheit nicht sehen, geschweige denn sprechen konnten. Während Wilbur zu Ruaraidh auf das Pferd gewechselt war, ritt Rosie mit Paddy auf dessen Rappen. Madlen verzichtete darauf, weitere Fragen zu stellen, und schlief zeitweise während des Ritts vor Erschöpfung in Johns Armen ein. Im Morgengrauen überquerten sie an einer seichten Stelle den Auin Flu bei Kineil, einen Zufluss des Forth. Noch war das sandige Flussufer menschenleer, aber das würde sich mit Anbruch des Tages ändern. Allen war klar, dass sie von nun an vorsichtig sein mussten, denn in dieser Gegend wimmelte es wegen des Bürgerkrieges von marodierenden Regimentern der verschiedensten Kriegsparteien.
Gegen zehn Uhr in der Frühe störte ein Parlamentsdiener in Edinburgh die 44. Sitzung des House of Lords. Der Vorsitzende unterbrach ungehalten die Rede eines Abgeordneten,
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