Die Teufelshure
bevor er seinem entfernten Verwandten, Sir Chester Cuninghame of Berwick upon Tweed, mit einem missmutigen Nicken erlaubte, die Parlamentsräumlichkeiten zu verlassen.
Verärgert stürmte Cuninghame in den Flur, der zu den einzelnen Versammlungsräumen führte. Ein Bote, der ganz in Schwarz gekleidet war, empfing ihn mit versteinerter Miene. Was er ihm zu sagen hatte, klang äußerst unglaubwürdig, und doch wusste Cuninghame sofort, dass der Mann keinen Unsinn redete.
Cuninghame unterdrückte nur mit Mühe sein Entsetzen. »Lasst die Kutsche vorfahren und unterrichtet unverzüglich die Bruderschaft«, wies er den Boten an. »Zudem werdet Ihr Bruder Mercurius und die anderen Brüder sofort zu einem außerordentlichen Treffen im Heriot’s Hospital einberufen. Sagt Ihnen, dass es eilt.«
Cuninghame wies den wartenden Parlamentsdiener an, ihn beim Lordpresident zu entschuldigen und zugleich einige weitere Mitglieder, die ebenfalls der »Bruderschaft der Panaceaer« angehörten, darüber zu informieren, dass ein Notfall eine sofortige Zusammenkunft notwendig machte.
Der große festungsähnliche Bau im Südwesten Edinburghs war von einer schlossähnlichen Parkanlage umgeben. Sauber gestutzte Hecken und kleine, frisch gepflanzten Bäumchen säumten in Reih und Glied prächtig angelegte Blumen- und Gemüsebeete. Das stattliche Gebäude, das der königliche Goldschmied George Heriot bereits 1628 für vaterlose Kinder geplant hatte, war erst vor kurzem fertig geworden. Den Gerüchten zufolge galt es als das Werk eines heimlichen Schwerenöters, der für die Existenz einiger illegitimer Erben verantwortlich war und auf diese Weise vor seinem Tod Gott um Vergebung all seiner Sünden gebeten hatte.
Noch wusste niemand, dass die honorigen Mitglieder der an Heilkunde interessierten Bruderschaft der Panaceaer, die sich mit einer großzügigen Waisenhausspende im letzten Jahr als Wohltäter erwiesen hatten, in Wahrheit keine guten Taten beabsichtigten, sondern einen teuflischen Plan verfolgten. Die elternlosen Jungen und Mädchen, die hier in Kürze eine Zuflucht finden sollten, würden ihnen auf Jahre hinaus das menschliche Material für ihre Experimente liefern.
Cuninghames Kutsche passierte das Portal unter dem hoch aufragenden Glockenturm und kam im Innenhof des Hospitals zum Stehen. Ein Lakai öffnete den Verschlag und klappte rasch die kleine Steighilfe aus, damit der Lord bequem das weiße Kiesbett betreten konnte.
Boswick Taggert, Cuninghames persönlicher Adjutant, der am Eingangstor zur großen Empfangshalle bereits auf ihn gewartet hatte, begleitete ihn über die marmorverkleideten Böden der unteren Etage bis hin zu einem noch leeren Versammlungssaal, den die Bruderschaft mit Zustimmung der örtlichen Treuhandstiftung für ihre allwöchentlichen Zusammenkünfte zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Obwohl die Sitzungen unter allerstrengster Geheimhaltung stattfanden, gab man sich so den Anschein öffentlicher Verbundenheit und distanzierte sich geschickt von den zum Teil misstrauisch beäugten Freimaurerlogen, die mitunter von parlamentarischen Spionen unterwandert waren. Cuninghame und seine Leute machten es umgekehrt: Sie unterwanderten das Parlament, indem sie ausgewählten, honorigen Mitgliedern ihre fragwürdigen Dienste für horrendes Geld zur Verfügung stellten und im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines hochrangigen Kunden auch nichts gegen die Vergabe von lukrativen Titeln und Posten einzuwenden hatten.
Das frühe Nachmittagslicht fiel schräg durch die gläsernen Fenster. Nervös zupfte Cuninghame an seinem Spitzenkragen, während er sich von Taggert über das Ausmaß der Katastrophe unterrichten ließ. Dabei wusste er nicht so recht, ob sein Blut vor Wut über die Unfähigkeit seiner Leute in Wallung geriet oder vor Ärger, weil er den Widerstand eines einfachen Highlanders unterschätzt hatte.
Nacheinander trafen elf Männer ein, die wie Cuninghame dem Anlass gemäß einen schwarzen Kapuzenmantel trugen. Ein Lakai hatte ein Feuer im Kamin entzündet und eine Kiste mit den für die Versammlung nötigen Utensilien auf einen Tisch gestellt.
Cuninghame wirkte trotz seines Ärgers souverän wie immer, als er der Regel gemäß das goldene Zepter erhob und als Großmeister des Ordens die Eingangszeremonie mit einem Alchimistengebet eröffnete. Nachdem alle Brüder um den ovalen Tisch Platz genommen hatten, begann der schwarze Lord mit ausdrucksloser Miene Bericht zu erstatten. Nur seine Stimme
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