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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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kam direkt aus dem Sultanat Marokko und trug etwas mit sich, dem sich keiner in Edinburgh, der über Geld und Einfluss verfügte, entziehen konnte. Angeblich besaß Mercurius nicht nur übernatürliche Kräfte, die er von den Heiden in Afrika mitgebracht hatte, sondern auch die Rezeptur für ein magisches Elixier, das er mit Hilfe des »Lapis Philosophorum« – dem sogenannten Stein der Weisen – herstellen konnte. Es versprach die Heilung sämtlicher Krankheiten und in einer speziellen Dosierung, mit der man zu zwei Dritteln das Blut im Leib eines Menschen ersetzte, sogar das ewige Leben. Dass dies seinen Preis hatte, konnte sich jeder denken, der mit Mercurius in Berührung kam. Doch die Gier nach Einfluss und Macht war stärker als die Angst um das eigene Seelenheil.
    »Bruder Mercurius, es ist gut, dass Ihr so rasch zu uns kommen konntet«, erklärte Cuninghame mit einer Miene, die keinen Rückschluss auf seine wahren Gefühle zuließ.
    »Entschuldigt meine Verspätung«, erwiderte Mercurius mit einem ironischen Lächeln. Mit einer herrischen Geste wischte er sich die Kapuze vom Kopf, und hervor trat ein fast kahler Schädel, der nur von einem Gespinst von weißen Haaren bedeckt war. Seine Nase war krumm und runzlig, die Ohren waren riesig, und seine verdorrten Lippen und die ledrige Gesichtshaut glichen einem rotbraunen Winterapfel, der zu lange im Keller gelegen hatte. Und doch wirkten seine hellwachen Augen, durchdrungen vom einfallenden Sonnenlicht, wie zwei glühende Eiskristalle.
    »Bruder Mercurius«, Cuninghame flüsterte fast, »auf Euch ruhen all unsere Hoffnungen. Habt Ihr schon eine Ahnung, wohin wir unsere Schergen entsenden können?«
    »Eine Ahnung?« krächzte der Alte mit einer Stimme, die keinen Zweifel daran ließ, dass er die Geschehnisse aufs schärfste missbilligte. »Ich habe Gewissheit, und das ist Euer Glück. Ansonsten sähe die Angelegenheit finster aus. Das Mädchen befindet sich unter meiner Kontrolle.« Er senkte den Kopf, und als er ihn wieder hob, flackerte ein unseliges Licht in seinen Augen. »Ich habe unsere Höllenhunde bereits auf den Weg gebracht, mit dem Auftrag, jeden zu töten, der mit den Fliehenden in Berührung gekommen ist, um sicherzugehen, dass es keine weiteren Mitwisser gibt.«

12

Auf der Flucht 1647 – »Blutzoll«
     
    Am frühen Morgen erlebten John und seine Männer eine weitere unangenehme Überraschung. Im ersten Moment blendete sie die rötliche Sonne über der hoch aufragenden Burg von Sruighlea – oder Stirling, wie die Lowlander es nannten – so stark, dass sie die Hände schützend vor die Augen legen mussten. Langsam dämmerte ihnen, warum Cuninghames Schergen schwarze Masken anlegten: nicht, um ihre Gesichter zu verbergen, sondern um die empfindlichen Augen vor Fackel- oder Tageslicht zu schützen.
    Erschöpft erreichten sie einen Pinienwald unterhalb des Abbey Craig, einem felsigen Hügel auf der gegenüberliegenden Seite der Festung, direkt an den Ufern des Forth. John stieß einen erleichterten Seufzer aus, als er zusammen mit den anderen Männern die Sättel und das mitgeführte Gepäck hinter einem Felsvorsprung verstauen konnte, der ihnen für ein paar Stunden ein verborgenes Lager bot. Sie waren die ganze Nacht geritten. Die Pferde soffen sich am Flussufer die Bäuche voll, als ob sie eine Wüste durchquert hätten. John kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. Dann wies er die Zwillinge an, die Tiere sofort nach dem Tränken hinter einem Busch zu verstecken. Wenn sie der Gefahr entgehen wollten, von Spitzeln des Sheriffs entdeckt zu werden, durften sie nur nachts reisen.
    Vor Cuninghames Söldnern mussten sie Tag und Nacht auf der Hut sein.
    Und je weiter sie in die Highlands vordrangen, mussten sie auf feindlich gesinnte Clans aufpassen, mit denen auch nicht zu spaßen war. Dummerweise konnten Cuninghames Männer auch in der Dunkelheit sehen, ansonsten gab es auf den Wegen verdammt wenige Möglichkeiten, sich zu verstecken, um auf die Dauer nicht aufzufallen. Wo sonst hätte man sich – außer in Wäldern – vor militärischen Patrouillen und neugierigen Bauern verbergen sollen? Jedoch in den vergangenen einhundert Jahren hatte Schottland beinahe seinen gesamten Baumbestand verloren. Das meiste war für die königliche Armada draufgegangen oder für die zahlreichen Festungen, die in Zeiten der fortwährenden Kriege wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Holz war so kostbar, dass es nur noch mit Genehmigung der jeweiligen Landlords

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