Die Teufelsrose
Funkraum der Nachrichtenabteilung der Pariser Sowjetbot schaft ratterte der Chiffrierapparat. Die Funktechnikerin sah zu, wie die Nachricht zeilenweise auf dem Bildschirm erschien. Als sie durchgegeben war, nahm sie das Band heraus, das sie aufgezeichnet hatte, und ging damit zur Leiterin der Funkzen trale.
»Ein Code Drei aus London. Für Oberst Romanoff. Als Zu satzinformation sind noch drei Funkbilder gekommen. Hier sind die Nummern.«
»Er ist in Berlin«, sagte ihre Chefin. »Muß morgen nachmit tag oder abend zurückkommen. Lassen Sie das Band bis dahin liegen. Außer ihm kann ohnehin niemand etwas damit anfan gen. Er braucht seinen persönlichen Schlüssel, um es zu dechif frieren. Ich hole die Bilder aus dem Funkraum, die tun Sie dann dazu.«
Die Funkerin ging wieder an ihren Platz, legte das Band in den Datensafe, schloß diesen ab und wandte sich anderen Arbeiten zu.
Auf dem Balkon von Anne-Maries Hotelzimmer in St. Denis war es um diese Zeit, kurz vor Mitternacht, recht kalt. Sie ging ins Zimmer, zog ihre Lammfelljacke an, kehrte zurück und setzte sich wieder neben Devlin.
»Morgen um diese Zeit haben wir vielleicht schon alles über standen.«
»Stimmt.« Seine Zigarette glühte im Dunkel auf.
»Wie wird er sein, Liam?«
»Er hat sich verändert, Mädchen. Sehr. Machen Sie sich auf einiges gefaßt.«
»Ich werde es verkraften. Jeder Mensch muß dazulernen und
wachsen und sich ändern.«
»Aha, Sie meinen den dornigen Pfad zur Reife.« Devlin schüttelte den Kopf. »Ich wollte etwas anderes sagen. Er ist nicht mehr der wilde Mann, der Sie aus jenem vietnamesischen Sumpf gerettet hat, und er ist auch nicht mehr der tapfere Kämpfer, der neunundsechzig in Ulster an meiner Seite stand. Wenn er überhaupt etwas dazugelernt hat, dann offen gesagt nur eines – daß andere Leute ihn zu sehr ausbeuteten. Ich nehme an, er glaubt jetzt an nichts mehr.«
»Das kann ich nicht glauben.«
Devlin sagte: »Liebes Mädchen, versuchen Sie nicht, ihn zu einem selbstlosen Helden hochzustilisieren. Er mag alles mögliche sein, aber das nicht. Ich haue mich jetzt hin. Das Versorgungsschiff legt um sieben ab.«
Er schwang ein Bein über das Balkongeländer, sprang hin über und ging in sein Zimmer. Sie blieb noch lange Zeit sitzen und starrte hinaus auf das dunkle Meer.
10
Als Lebel die Tür des Besuchszimmers öffnete und Brosnan hineinführte, stand Devlin am Fenster und schaute durch die Gitterstäbe ins Freie.
Er drehte sich lächelnd um. »Ah, da sind Sie ja.«
»Mr. Gorman.« Brosnan gab ihm die Hand und setzte sich. Devlin nahm Platz auf dem Stuhl an der anderen Seite des Tisches.
»Läuten Sie bitte, wenn Sie mich brauchen, Monsieur.« Le bel ging hinaus und schloß die Tür ab.
Sie sprachen jetzt gälisch. Devlin sagte: »Wird er dich durch suchen, wenn er dich wieder zur Zelle bringt?«
»Pierre?« Brosnan schüttelte den Kopf. »Der macht sich das Leben nicht schwer. Was hast du mir mitgebracht?«
Devlin klappte seine Aktentasche auf. »Steck dir eine Ziga rette an.« Er schob eine Schachtel über den Tisch, dann noch eine. »In der ersten ist das Leitgerät, in der anderen eine Taschenlampe. Ich war nicht sicher, ob ihr euch hier eine besorgen könnt. Sie ist für den Abwasserkanal.«
»Wir haben aber Kerzen und Streichhölzer.«
»Heilige Muttergottes«, sagte Devlin. »Das Schlimmste, was ihr tun könnt. Ihr würdet euch selbst in die Luft jagen. Jetzt hör gut zu.«
Er ging alles durch. Als er ausgeredet hatte, nickte Brosnan. »Du scheinst an alles gedacht zu haben, aber du warst schon immer ein großer Organisator. Die Sache mit den beiden Leichen gefällt mir. Das wird Jacques amüsieren. Der Sohn schlägt offensichtlich ganz nach dem Vater.«
»Wann wollt ihr los?«
»Wir werden um halb neun für die Nacht eingeschlossen. Bis dahin ist es dunkel, jedenfalls um diese Jahreszeit, so daß wir sofort starten können. Die nächste Blockkontrolle ist erst um Mitternacht.«
»Dann werden sie also merken, daß ihr weg seid?«
»Nur, wenn jemand anders als Lebel kontrolliert. Das glaube ich aber nicht. Wenn wir Glück haben, merken sie es erst morgen früh um sieben.«
Devlin nickte. »Wie lange braucht ihr durch die Kanalisati on?«
»Zuerst müssen wir ein bißchen klettern. Ich würde sagen, eine Stunde. Mit einigem Glück wären wir dann um halb zehn beim Bestattungsfelsen.
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