Die Teufelsrose
Mit der Strömung müßten wir es bis ungefähr Viertel nach zehn zur Sechskilometer-Grenze schaf fen.«
Devlin legte die Stirn in Falten. »Es ist dir doch klar, daß
dies so eine Art Höllenfahrtskommando ist?«
Brosnan erwiderte: »Natürlich.«
Devlin stand auf und rollte eine kleine Plastikkugel über den Tisch. »Wenn man die Hülle abzieht, leuchtet es drinnen. Ein Hilfssignal, das wir im Krieg benutzt haben. So ein Ding hat mir mal das Leben gerettet. Ich weiß, daß an den Schwimmwe sten Lichter sind, aber …«
Er zuckte mit den Schultern und ging ans Fenster und spähte hinaus. Die Strömung war deutlich an den weißen Schaum krönchen zu erkennen, die sich durch das ansonsten ruhige Wasser zogen.
Brosnan schlug ihm auf die Schulter. »Keine Sorge, Liam. Jacques Savary und ich wissen, was wir tun. Letztlich kommen wir sowieso alle in eine Kiste. Das Wichtigste ist, daß man möglichst lange um sich tritt.«
Das Tragflügelboot von Jersey nach St. Malo brauchte unge fähr eine Stunde für die Kanalüberquerung. Frank Barry ging in dieser Zeit alle überregionalen englischen Zeitungen durch, die er vor der Abfahrt in St. Helier gekauft hatte.
In keiner stand ein Wort von dem Überfall in Wastwater, und das war sehr aufschlußreich. Aber auch ganz logisch. Nicht einmal die Bundesdeutschen würden solch eine Sache an die große Glocke hängen wollen.
Seelenruhig passierte er den Zoll, zeigte seinen französischen Paß vor, ging dann sofort zu einer Telefonzelle und rief Roma noff in seiner Pariser Wohnung an.
Irana Wronski, Romanoffs persönliche Sekretärin von der Botschaft, nahm ab. Sie sagte ihm, sie habe eben mit Romanoff in Ost-Berlin telefoniert, und er würde erst mit der Mitter nachtsmaschine zurückkommen.
Barry sagte: »Falls Sie vorher noch mit ihm sprechen sollten, sagen Sie ihm bitte, ich würde mich morgen früh wieder melden.«
Er nahm seinen Koffer und verließ die Telefonzelle. Der Zug nach Paris ging in 20 Minuten. Andererseits brauchte er sich aber nicht zu beeilen. Der größte Teil des Tages lag noch vor ihm, und es war herrliches Spätherbstwetter. Also spazierte er über den Platz zu einer Leihwagenfirma, und eine Viertelstun de später bog das Peugeot-Kabrio mit zurückgeklapptem Verdeck auf den Zubringer ein.
Es war dunkel, und der Kutter glitt gerade an der Mole von St. Denis vorbei ins offene Meer, als Devlin dem jungen Savary die Leiter in den Fischladeraum hinunter folgte. Die Tür zum Kühlraum war offen, und in dem Raum standen Dr. Cresson und der große Claude aus dem Maison d'Or an der Arbeitsplat te, auf der normalerweise Fische ausgeweidet und sortiert wurden. Sie schnitten die Plastiksäcke auf, in denen die beiden Leichen lagen.
Nach allem, was er in dem Halbdunkel sehen konnte, waren die Gesichter bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
»Jesus«, sagte er.
»Der Teufelsstrudel hat sie wer weiß wie oft gegen die Gra
nitfelsen an der Küste bei St. Denis geworfen«, sagte JeanPaul. »Da muß man mit sowas rechnen.«
Devlin berührte das Bein einer Leiche. Es war wie Marmor. »Falls sie eine Autopsie machen, würde doch der richtige Todeszeitpunkt herauskommen, nicht wahr?«
»Das haben wir bis zu einem gewissen Grad verhindert, in dem wir sie einfroren«, sagte Cresson. »Der Verwesungspro zeß ist dadurch erheblich verzögert worden. Offen gesagt werden wir sowieso nur dann Erfolg haben, wenn die Behörden unsere beiden Freunde hier nicht weiter unter die Lupe neh men.«
Devlin folgte Jean-Paul zurück an Deck, und sie gingen ins Ruderhaus. Der Kapitän war älter, als Devlin erwartet hatte. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht und trug schwarzes Ölzeug und Schiffermütze. Der Stumpen, den er paffte, roch so schrecklich, daß Devlin in der Türöffnung stehenblieb.
»Nun, Marcel«, sagte Jean-Paul. »Was sagt der Wetterbe
richt?«
»Nichts Gutes, Chef«, antwortete der alte Mann. »Steife Brise, Windstärke sieben bis acht. Nicht genug, um Dächer abzuheben, aber für zwei Männer, die da draußen im Teufels strudel herumzappeln …« Er zuckte mit den Schultern.
Jean-Paul, dessen Gesicht in der schummrigen Beleuchtung sehr bleich wirkte, wandte sich an Devlin. »Keine Sorge, dieser alte Seebär ist der beste Skipper an der ganzen Küste. Wenn jemand es schaffen kann, dann er, natürlich mit Hilfe von diesem Ding da.« Er tippte auf eine glänzende blaue Box auf dem Kartentisch.
Weitere Kostenlose Bücher