Die Teufelsrose
»Das Allerneueste … Ich habe es gestern einbauen lassen. Mikroprozessoren und Digitalanzeige – es denkt praktisch allein. Sobald wir es auf die Wellenlänge des Leitgeräts programmiert haben, sagt es uns bei jedem Wetter den exakten Kurs.«
»Sehr schön«, sagte Devlin, »aber wenn Sie zufällig auch ein paar Kerzen dabei haben, machen Sie sie bitte an, für alle Fälle.«
Jean-Paul wandte sich den Karten zu, und Devlin trat hinaus auf die Brücke, wo Anne-Marie, in ihre Felljacke gehüllt, an der Reling stand. Weiße Schaumkronen blitzten in der Dunkel heit, und Gischt sprühte über das Deck, wenn der Bug des Trawlers in die Wellen eintauchte.
»Sieht nicht gut aus, oder?«
»Nicht besonders.« Er hielt sich an der Reling fest. »Sie er
fahren es ja doch … Der Kapitän glaubt, es wird eher noch schlimmer werden.«
»So schlimm, daß sie es abblasen?« sagte sie. »Ich meine, Martin und Savary?«
»Ich kann nur für Martin sprechen, und ich bin überzeugt, daß er sich nicht mal vorn schlimmsten Sturm abschrecken lassen würde, wenn er nur das Gefängnis hinter sich bringt. Er kalkuliert sogar den Tod ein, verstehen Sie?«
»Mein Gott«, flüsterte sie und umklammerte dann plötzlich seinen Arm, als der Wind ein merkwürdiges brüllendes Ge räusch aus der Ferne zu ihnen trug.
»Haben Sie das gehört, Liam? Was ist es?«
»Nach dem Klang zu urteilen, muß es der Teufelsstrudel sein.«
Sie sagte kein Wort mehr. Er legte einen Arm um ihre Schul tern, und sie blieben an der Reling stehen und lauschten.
Pierre Lebel öffnete die Klappe vor dem Guckloch in der Zellentür auf der oberen Galerie. Brosnan und Savary saßen einander gegenüber, zwischen sich eine Holzkiste. Savary hatte ein Tarockspiel in der Hand und legte das Glücksrad aus.
»Damit kann man alle möglichen Fragen beantworten«, sagte er. »Und es zeigt den Ausgang bevorstehender Ereignisse.«
»Wirklich?« sagte Brosnan. »Du überraschst mich. Ich wußte gar nicht, daß du auch Karten legen kannst.«
»Ich hab dir doch gesagt, daß ich Zigeunerblut habe.«
Lebel rief: »Ihr solltet längst im Bett sein, ihr zwei. Licht aus!«
Die Zelle war in Dunkel getaucht. Savary rief: »Gott segne Sie, Lebel, und danke für alles. Sie waren Spitze.«
»Idiot!« flüsterte Brosnan.
Lebel kontrollierte die Nachbarzelle, sie horchten, wie seine Schritte sich langsam auf der Galerie entfernten. Die Gittertür am Ende klirrte, Lebel ging die Eisentreppe hinunter, und seine Schritte verklangen.
»Mach die Taschenlampe an«, sagte Savary. »Ich möchte nur sehen, was die Karten sagen.« Brosnan knipste die winzige Lampe an, die Devlin ihm mitgebracht hatte; sie gab einen überraschend hellen Lichtstrahl. Savary drehte die erste Karte um. Sie zeigte den Tod, ein Skelett, das über ein Feld mit Leichen ritt. Savary schob die Karten zusammen und legte sie auf das Regal. »Das kann ich jetzt absolut nicht brauchen. Mir reicht's. Gehen wir.«
Brosnan drehte seine Matratze um, langte durch den offenen Saum auf der Seite, die ihm nun zugewandt war, und holte ein zusammengerolltes Nylonseil und eine Schlinge mit Schnapp verschlüssen an den Enden heraus; beides hatte er oft im Steinbruch benutzt, wenn er Sprengladungen in den Felsen anbrachte. Dann zog er einen Schraubenzieher mit schmalem Griff hervor und zuletzt eine schwere Zwölfzoll-Drahtschere, die Savary von einem Gefangenen bekommen hatte, der in der Schlosserei arbeitete. Mit Kleidungsstücken, Büchern und je einem Kissen bauten sie ihre Betten dann so zurecht, daß es aussah, als läge jemand darin.
»Glaubst du, es geht so?« fragte Savary.
»Bei Lebel bestimmt. Die meisten Nächte guckt er nicht mal in die Zellen, und ich schätze, wenn er es doch tut, wird es reichen. Jetzt aber los. Wir haben eine Menge vor uns.«
Sie zogen die dicken Regenmäntel an, die die Gefängnislei
tung für die Steinbrucharbeit bei schlechtem Wetter an die Häftlinge austeilte, und Handschuhe aus Leder und Segeltuch. Brosnan nahm das Seil, und Savary kniete sich mit einem Löffel vor das Schlüsselloch. Es klickte leise, und er stand auf. »Die Tür ist offen, Martin. Gehen wir.«
Sie gingen hinaus und zogen leise die Tür hinter sich zu. Sie blieben einen Moment im Schatten der Mauer stehen, schlichen dann zum Ende der Galerie.
Der Haupttrakt wurde von einer einzigen Glühbirne beleuch tet, und aus dem
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