Die Teufelsrose
lauter, als er sich dem unteren Schach tende näherte. Von unten schimmerte Licht durch ein Gitter hoch. Er stützte sich an einer Strebe ab und versuchte, etwas zu erkennen. Alles, was er sah, war der Boden des Kesselraums. Normalerweise hatte dort um diese Zeit niemand Dienst, und falls doch jemand da war, würde es wahrscheinlich ein Kalfak tor sein. Und dann blieb ihm keine Wahl.
Er richtete die Taschenlampe nach oben und sah, daß Savary genau über ihm war. »Bleib da«, flüsterte er. »Ich seh nach, wie es unten steht.«
Er steckte die Lampe in die Tasche, hielt sich an zwei Stre ben fest und drückte mit beiden Füßen auf das Gitter. Es beulte aus, gab nach, und beim dritten Versuch löste es sich aus der Halterung und landete, gefolgt von Brosnan, fast drei Meter weiter unten mit einem lauten Krachen auf dem Boden.
Leicht lädiert, aber unverletzt stand er auf und sah sich um. Im Kesselraum war es nicht ganz so dunkel wie oben, denn über den Skalen am Instrumentenbrett auf der anderen Seite brannte eine kleine Glühbirne. Aber die Hauptsache: Es war kein Mensch da.
Er rief den Schacht hoch: »Alles in Ordnung, Jacques, du kannst springen. Laß einfach los.« Einen Moment später sauste sein Kamerad auf ihn zu, und er bekam ihn so zu fassen, daß er nicht hinstürzte.
Sie gingen sofort zur Tür. Brosnan machte sie auf und spähte nach draußen. Regen prasselte auf die Pflastersteine im Hof.
»Der Einstieg ist da drüben«, sagte er. »Rechts von der Tür zur Krankenstation. Bück dich und komm mir nach.«
Er drückte sich in den Schatten der Mauer und ging, gefolgt von Savary, um den Hof, bis er den Einstiegdeckel erreichte. Er hockte sich hin, holte den Schraubenzieher heraus und befreite die in den Deckel eingelassenen eisernen Handgriffe vom Schmutz, doch als er zog, bewegte der Deckel sich keinen Millimeter.
»Um Gottes willen, was ist denn?« Zum erstenmal klang Panik in Savarys Stimme.
»Nichts«, sagte Brosnan. »Ist sicher jahrelang nicht benutzt worden. Ich schaffe es schon, keine Sorge.«
Er kratzte mit dem Schraubenzieher die Rille um den Rand des Deckels entlang. Er zog wieder mit aller Kraft, und Savary legte die Arme um seine Taille und zog mit. Der Deckel gab plötzlich nach, so schnell, daß Brosnan das Gleichgewicht verlor und sie beide hinfielen.
Fast im selben Moment schlug ihnen ein scheußlicher Ge stank entgegen, der durch die Frische des Regens noch intensi viert wurde. Savary sagte: »Oh Gott, so schlimm hab ich mir das nicht vorgestellt.«
»Der einzige Weg«, sagte Jacques. »Runter mit dir.«
Savary verschwand in der Schwärze, und Brosnan stieg hin
terher, bis er auf der kurzen Eisenleiter so weit unten war, daß er den Deckel wieder über die Öffnung ziehen konnte. Als er die Taschenlampe anknipste, sah er Savary bis über die Hüften in stinkendem Wasser und Exkrementen stehen. Der Franzose lehnte sich an die Mauer und übergab sich.
»Es ist doch nicht weit«, log Brosnan. »Ein paar hundert Meter, mehr nicht. Bestimmt.«
Der Tunnel war knapp zwei Meter hoch und sehr alt, an vie len Stellen bröckelten die Backsteine, und als sie wenige Schritte gemacht hatten, erfaßte der Lichtstrahl Dutzende von Ratten, die die Steinsimse zu beiden Seiten entlanghuschten. Nach 50 oder 60 Metern ergoß sich der Abwasserkanal in ein großes Betonbecken, offensichtlich die Auffangkammer für die gesamte Kanalisation, denn auch aus anderen Röhren platschte der Dreck hinein.
Brosnan hielt die Taschenlampe hoch und rutschte ins Bek ken; er stand fast bis zur Brust in dem widerlichen Brei. Savary glitt hinter ihm her, verlor das Gleichgewicht und ging unter. Brosnan zog ihn am Kragen hoch, und der Franzose bot mit seinem kotverschmierten Gesicht einen gespenstischen An blick. Er war schwer angeschlagen.
Brosnan sagte: »Los, Jacques, wir müssen da durch. Bleib einfach hinter mir.«
Er stapfte durch das Becken und zog sich auf ein Sims aus Beton, half dann Savary hinauf. Sie gingen das Sims entlang, bis sie an eine eiserne Leiter kamen, neben der die Abwässer etwa zehn Meter tief hinunterstürzten.
Sie stiegen die Leiter hinunter. Als der schmale Gang endete, waren sie noch zwei weitere Leitern hinuntergestiegen.
»Wir müssen ganz nahe am Ufer sein«, sagte Brosnan. »Es kann nicht mehr lange dauern.«
Er ließ sich in die Flüssigkeit hinunter, und Savary folgte ihm. Mit jedem Schritt,
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