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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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erleben. Bröll nickte demütig und trat aufs Gas, so daß das Auto ein klein wenig zu schnell um die Ecke quietschte und beinahe einen betagten Radfahrer gestreift hätte.
    Notovich war noch nie im Konservatorium gewesen. Er betrachtete das Gebäude mit übertriebener Aufmerksamkeit, um nicht an den Unterricht denken zu müssen. Es lag am IJ zwischen lauter fortschrittlich gemeinten Neubauten. Als sie vor dem Eingang keinen Parkplatz fanden, wurde er unruhig. Er wollte allein weiterlaufen, aber Bröll hatte Lindas drohenden Blick noch nicht vergessen. Er quetschte den klapprigen BMW geschickt zwischen zwei Behindertenparkplätze in der Nähe des Konservatoriums.
    »Was machst du denn jetzt?«
    »Wenn sie mir ein Knöllchen verpassen, sagen wir einfach, daß es dein Auto ist. Du bist unzurechnungsfähig.«
    Notovich grinste. Er war froh, daß er nicht allein hineingehen mußte. Er hatte keine Ahnung, wie die Studenten auf ihn reagieren und was sie über ihn denken würden. Daß die Leitung seiner Einstellung zugestimmt hatte, brauchte nichts zu bedeuten. Vielleicht hatten die Studenten ja Angst vor ihm. Selbst Bröll schaute sich scheu um, als sie die große Halle betraten. »Hmm … der Geruch endloser Wiederholungsprüfungen«, sagte er munter. Notovich reagierte nicht; er hatte noch nie ein Konservatorium von innen gesehen.
    Als er fünfzehn war, gab es im Grunde nicht mehr viel, was man ihm noch hätte beibringen können. Man lud ihn ein, sein Talent in einem Privatinstitut in der Nähe von Wien zu vertiefen, das von einem weltberühmten Geiger gegründet worden war. Der war einst selbst ein Wunderkind gewesen und wußte, daß eine zu verschulte Ausbildung manchmal mehr kaputtmachen als fördern konnte. Dort genoß er nicht nur Betreuung und Meisterkurse bei weltbekannten Virtuosen, sondern auch Unterricht in Literatur, Poesie, bildender Kunst, Architektur und Philosophie. Der junge Notovich sog all diese schönen Dinge begierig in sich auf. Diese glückliche Zeit fand abrupt ein Ende, als die Presse davon Wind bekam, daß kurz hintereinander zwei Studenten Selbstmord begangen hatten. Schüler wurden von der Schule genommen, und der Geldstrom versiegte. Notovich stand auf der Straße.
    Er war einundzwanzig. Wie die meisten diplomierten Solisten landete er in der erbarmungslosen Welt der internationalen Wettbewerbe – der einzigen Möglichkeit für einen jungen Musiker, auf sich aufmerksam zu machen. Er hoffte, daß die Konkurrenz das Beste aus ihm herausholen würde, wie jeder behauptete, und versuchte mit aller Macht, den Erwartungen zu entsprechen. Aber sein Talent gedieh nicht in Wettbewerben. Seine sehr persönlichen und mitunter exzentrischen Interpretationen fanden nicht bei allen Jurymitgliedern Anklang. Nicht selten bekam er für denselben Auftritt sowohl die niedrigste als auch die höchste Bewertung. Er scherte sich nicht um die anderen Teilnehmer, und seine zurückgezogene Haltung wurde schon bald als unkollegial und arrogant aufgefaßt. Die Jurys schienen diese Signale mitzubekommen. Nach ein paar herben Enttäuschungen und drei zweiten Plätzen war er das Reisen und rastlose Herumtigern in kühlen Garderoben leid. Er war zu lange aus dem Haus, um wieder bei seinem Vater einziehen zu können. Und bei der Pflegefamilie, wo er während seines Studiums drei Jahre gewohnt hatte, war er nach einem Vorfall mit der ältesten Tochter nicht mehr willkommen. Er ließ sich in Paris nieder, auf der Etage eines amerikanischen Geigers, dem er in einer Kneipe über den Weg gelaufen war. Sie kannten beide niemanden in der Stadt. Sein Vater schickte ihm ab und zu Geld.
    Eine Zeitlang hörte man nichts mehr von Notovich, und damit hätte er sich abgefunden, wenn nicht jene eine Begegnung sein Leben verändert hätte. Unter einer Eiche in Paris wurde er von Senna wachgeküßt, der Liebe seines Lebens.
 
    Sie wurden von einem nervösen künstlerischen Direktor begrüßt, der sich sofort in Entschuldigungen erging. Bröll fragte, ob der Unterricht abgesagt worden sei, aber das war nicht der Fall. Im Gegenteil.
    »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, daß wir die Zusammenkunft in Saal 005 geplant haben. Das tun wir natürlich nur dieses eine Mal. Dann wird die Neugier unter den Studenten wohl etwas verebbt sein.«
    »Saal 005?« fragte Bröll mißtrauisch.
    »Der Sweelincksaal. Hier entlang.«
    »Wir hatten vereinbart: ein paar Mann, kein öffentlicher Unterricht«, sagte Notovich. »Hat meine Schwester das nicht

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