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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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fern von der Außenwelt.
    Er konnte nicht mehr aufhören zu spielen. Aus seinen Händen floß die Melodie gleichsam wie Gesang. Hin und wieder ließ er das Thema in der Begleitung aufleuchten wie ein Dirigent, der sein Orchester vollkommen unter Kontrolle hat. Das Ergebnis war Musik, die klang, als ob sie noch nie jemand gespielt hätte, reich wie eine komplette Sinfonie, aber intim wie eine geflüsterte Liebeserklärung.
    Nach dem letzten Akkord starrte er auf die Tasten, überrascht über das, was er gerade getan hatte. In diesem Augenblick brach ohrenbetäubender Beifall aus. Die Studenten johlten, pfiffen und trampelten, dankbar, Zeugen dieses einzigartigen Moments zu sein. Notovich schaute verdattert in den Saal. Der Applaus drang nur langsam zu ihm durch. Schließlich stand er zögernd auf und machte eine Verbeugung. In der vordersten Reihe sah er Bröll heftig mitklatschen, zwei dicke Tränen in den Augenwinkeln. Zum ersten Mal seit langem durchströmte Notovich ein Gefühl der Wärme. Er verbeugte sich noch einmal und entschuldigte sich bei dem Studenten für sein impulsives Verhalten.
    Als der Applaus verebbte, fragte das Mädchen, ob er noch etwas anderes spielen würde. Der Saal johlte wieder. Notovich machte eine abweisende Geste und suchte Unterstützung bei Bröll. Aber der zuckte lächelnd mit den Schultern. Die Ratte. Es wurde nach einer Improvisation gerufen. Die kapriziösen und mitunter schockierend originellen Improvisationen Notovichs waren legendär. Viele Leute hätten schon allein für diese Zugaben eine Konzertkarte gekauft. In seinen Glanzzeiten schrieben Zeitungen sogar Kompositionswettbewerbe unter ihren Lesern aus. Das Siegerthema wurde dem Pianisten vorgelegt.
    Notovich bekam Beklemmungen. Er war jetzt nicht in der Lage zu improvisieren. Ein Stückchen Chopin, das ging ja noch, das war sicheres Terrain, es war nicht einmal ein richtiger Test gewesen. Aber es widerstrebte ihm ungemein zu improvisieren. Es wäre nicht das erste Mal, daß er so in einer Improvisation aufging, daß er sich darin verlor. Seine Blackouts hatten meistens damit angefangen.
    Notovich gab Bröll zu verstehen, daß er wegwollte, doch der Saal war nicht mehr zu stoppen. Der künstlerische Direktor ergriff das Mikrofon und bat um Ruhe. Für einen Moment dachte Notovich, daß er nun von einem erneuten Auftritt erlöst sei, aber der Direktor fragte seelenruhig, ob jemand ein Thema für eine Improvisation vorschlagen könne. Die Studenten fingen an durcheinanderzurufen. Jemand pfiff das Thema von In Holland steht ein Haus . Ein älterer Dozent stand auf und sang mit knarzender Stimme ein Thema aus einer Sonate von Beethoven: »Le-be-wohl …«
    Das mußte ein Ende haben. Notovich beschloß, dem Publikum mitzuteilen, daß er gern den Unterricht fortsetzen würde, andernfalls würde er jetzt gehen. Aber jemand hinten im Saal kam ihm zuvor.
    »Warum spielen Sie nicht das Motiv der Teufelssonate von Liszt?«
    Raunen im Saal.
    »Sie verwechseln das vielleicht mit einem anderen Komponisten«, sagte der künstlerische Direktor. »Meines Wissens hat Liszt keine Teufelssonate komponiert.«
    »Dann irre ich mich sicher«, sagte der Mann, der nicht wie ein Student klang. Notovich konnte nicht richtig in den Saal schauen, denn das Bühnenlicht stach ihm in die Augen.
    Da begann der Mann das Thema zu summen. Notovich fühlte sich, als würde ihm die Haut vom Leib gerissen, so daß er den hundert Blicken, die auf ihn gerichtet waren, schutzlos ausgeliefert war. Die Musik kam ihm nur allzu bekannt vor: Es war die Melodie aus seinem Traum.

5
    W ährend der Fahrt nach Hause schwieg Notovich.
    »Es lief gut. Lief es nicht gut? Absolut, ganz gewiß. Und es waren ein paar nette Studentinnen dabei, fandest du nicht?« begann Bröll. »Und sie werden immer schöner, was? So viel Talent auf einem Haufen.«
    Notovich ignorierte ihn.
    »Gibt es in den Niederlanden eigentlich rein weibliche Streicherensembles? Ich denke, das würde sich gut verkaufen. Vielleicht ist das eine Mission für mich. Ich habe ja was Väterliches«, plapperte Bröll weiter. »Besprechen wir das bei einer Kleinigkeit zu essen?«
    Er hatte das besondere Talent, Teile seines Glückspakets auf eine Weise miteinander zu verbinden, die ihm zusätzlichen Genuß einbrachte.
    »Die Melodie, die der Mann im Publikum gesummt hat«, sagte Notovich plötzlich, »hattest du die schon mal gehört?«
    Bröll zuckte mit den Schultern.
    »Du?«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich

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