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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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Straßencafé ist wohl kaum der rechte Platz, ein Thema zu diskutieren, das unter die Schweigepflicht fällt. Also leeren wir unsere Weingläser, verlassen unseren Tisch und spazieren langsam und ziellos durch die Straßen um die Katarina-Kirche, während der Sommerhimmel sich über den Häusergiebeln verdunkelt und die Luft sich mit den nächtlichen Düften füllt: ein unbestimmter, sattfeuchter Geruch, ein Gemisch von verwesenden Pflanzenteilen, dem Bratenfett aus der Crèperie um die Ecke und dem Zigarettenrauch der Gäste der Straßencafés. Und überall sind wir umgeben von diesem merkwürdigen Gemurmel, diesem summenden Geräusch, verursacht von dem Kollektiv der Einwohner der Stadt. In der Ferne kann ich arabische Musik und den rauschenden, weit entfernten Lärm des Verkehrs in der Folkungagatan vernehmen.
    »Es geht um Sara Matteus«, setze ich an. »Irgendetwas beunruhigt mich. Sie hat jemanden kennen gelernt. Einen Mann.«
    Aina unterbricht mich mit einem kurzen, glucksenden Lachen.
    »Sara Matteus hat einen Mann getroffen, und das beunruhigt dich. Nun komm schon, Sara hat ja wohl schon öfter Männer kennen gelernt. Was ist an diesem dran, das dich so nervös macht?«
    Ainas Kommentar hilft mir weiter in meinen kreisenden Gedanken.
    »Es ist der Mann an sich, denke ich. Laut Sara ist er älter, etabliert, gesetzt. Macht ihr Geschenke. Und er redet davon, mit ihr zusammenzuziehen. Was will er von Sara? Warum sollte ein älterer Mann mit Geld mit einem fünfundzwanzigjährigen Mädchen zusammen sein wollen, das so offensichtlich Probleme hat, wenn er nicht…«

    »… wenn er sie nicht ausnutzen will«, ergänzt Aina. »Was sagt Sara selbst?«
    »Ach, die alte Leier. Dass es dieses Mal anders ist. Dass er sie sieht, dass es was Ernstes ist. Was mir auch Sorgen bereitet. Denn das macht sie verwundbar. Und wenn sie verletzt wird, dann wächst das Risiko eines therapeutischen Rückschlags. Sie hat fast ganz aufgehört, sich zu ritzen, ist viel stabiler als früher. Aber wenn jetzt etwas passiert … ich habe wirklich Angst, sie könnte …«
    Ich verstumme.
    Aina sieht mich abwartend an.
    »Wenn etwas passiert, was dann, Siri? Sie muss da rauskommen, das weißt du genau. Und du musst aufhören, Sara ausschließlich als ein Opfer anzusehen.«
    »Aber sie ist ein Opfer. Sie ist Opfer einer Schule, die sich nicht auf sie verstand, einer schlecht funktionierenden Kinderpsychiatrie und einer Sozialbehörde, die weder ihr noch ihrer Familie helfen konnte.«
    Aina streicht mir fast zärtlich über den Arm.
    »Natürlich ist Sara teilweise ein Opfer, aber du weißt, dass sie auch Ressourcen hat. Nun komm schon, sie ist ein schlaues Mädchen. Sicher, sie hat schlimme Erfahrungen gemacht, aber sie ist weitergekommen, und das hat sie durch ihre eigene Kraft geschafft. Wie viele kennst du, die es ganz allein geschafft haben, mit den Drogen aufzuhören? Nur als Beispiel. Und jetzt hat sie einen Mann kennen gelernt, den du intuitiv als schlecht für sie empfindest. Wenn er das wirklich ist, dann wird Sara selbst Schluss mit ihm machen, mit oder ohne deine Hilfe. Und Sara muss auch in der Zukunft ihre eigenen Erfahrungen machen. Soll sie nie wieder das Risiko eingehen dürfen, verletzt zu werden? Nie mehr Schmerzen fühlen? Dann müsste sie den Rest ihres Lebens abgesondert von anderen Menschen verbringen.«
    Aina verstummt und gibt mir Zeit, die Botschaft sacken zu lassen. Ich weiß, dass sie Recht hat. Ich wünschte nur, Sara würde sich noch ein bisschen Zeit lassen.
    Es ist zu früh. Viel zu früh.

     
    An einem lauen Sommerabend bin ich der anderen gefolgt, ihrer schlampigen Kollegin. Den ganzen Weg vom Medborgarplatz bis zum Hornstull-Strand über den Mariamarkt und am Fogelströmska-Gymnasium vorbei bin ich ihr gefolgt, während die Dämmerung über Söder einsetzte. Ich achtete darauf, ausreichend Abstand zu halten, damit sie mich nicht sehen konnte. Aber ich hätte mir keine Sorgen machen müssen, denn sie drehte sich kein einziges Mal um, lief nur, als hätte sie es eilig. Tatsache war, dass sie fast sprang, es sah albern aus.
    Wie ein zu groß geratenes, dummes Kind.
    Bei Hornstull bog sie zum Wasser hin ab, ging auf den Marktplatz und das Café am Anleger zu. Ich sah, wie sie einen Mann umarmte, ihm einen leichten Kuss auf den Mund gab und sich dann im Straßencafé niederließ.
    Ich selbst setzte mich in sicherem Abstand auf einen Stapel Holz und rauchte, während ich die beiden im Menschengewühl betrachtete:

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