Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
Vom Netzwerk:
Larve aussehen ließ. Ihre Arme und Beine waren mager und braungebrannt, mit hervortretenden, knöchernen Kniescheiben und Ellbogen. Die Kleidung war typisch für intellektuelle Södermalm-Bewohner: ein kurzer, unförmiger Khakirock, flache Sandalen, eine schwarze, locker sitzende Baumwollbluse (ich konnte nicht einmal den Ansatz einer Brust erkennen) und ein bauschiges Tuch, das sie mehrere Male um den Hals gewickelt hatte. Um das Handgelenk trug sie ein Armband mit bunten
Perlen, was sie unglaublich kindisch aussehen ließ. Wie die unschuldige Kindergärtnerin, die sie nun WIRKLICH nicht war. Ich drückte meine Zigarette in der Handfläche aus und begrüßte den scharfen Schmerz, da er die anderen Gefühle im Zaume hielt.

     
    Es ist ein außergewöhnlich schöner Abend, auch wenn die Luft bereits eine Kühle zeigt, die verrät, dass der Herbst sich unweigerlich nähert. Die Straßencafés auf dem Medborgarplatz sind voll besetzt. Als wüssten alle, dass der Sommer bald vorbei sein wird, und deshalb diesen Abend nutzen. Über dem Platz schwebt eine einsame Möwe auf der Jagd nach Essensresten.
    Aina und ich, wir schlendern durch Södermalm. Wir gehen am Björn-Park vorbei, in dem sich ein paar Teenager auf der Skateboardrampe vergnügen, während ein paar Stammgäste aus unidentifizierbaren Flaschen trinken und ein enthusiastisches Publikum bilden. Wir gehen weiter hinauf zum Mosebacke-Markt und durch das Portal zum Mosebacke-Etablissement.
    Das Straßencafé ist voll besetzt. Eine Mischung aus jüngeren Leuten aus dem Stadtteil, japanischen Touristen und älteren Paaren drängt sich um die Tische. Aina späht in die Menschenmenge.
    »Guck mal. Wir haben Glück!«
    An einem Tisch sitzt unser Kollege Sven Widelius mit einem Bier und einer Zeitung. Sein welliges, graumeliertes Haar fällt wie eine Gardine über die faltige, sonnengebräunte Stirn. Wenn ich ihn nicht kennen würde, nicht seine Kollegin wäre, ich würde ihn als attraktiven Mann ansehen. Obwohl er zwanzig Jahre älter ist als ich.
    Die Art, wie er sein Haar aus dem Gesicht streicht, hat etwas
an sich, genau wie die hageren, markanten Wangenknochen, die schweren Augenlider und die Intensität seiner grauen Augen. Etwas ist an seiner Art, den Raum mit seiner selbstverständlichen Anwesenheit zu füllen, und an seiner nervösen Energie – er ist ständig in Bewegung. Und er ist körperbetont: ein leichtes Streicheln über die Schulter, wenn er vorbei geht, ein Huschen über die Hand, wenn er mich mit dem Blick fixiert und mir seine gesamte Aufmerksamkeit schenkt. Und dann sein Lachen. Nicht immer freundlich; oft zynisch, ironisch. Es kommt vor, dass ich unsicher werde, wenn er mich ansieht, dass ich mich jünger fühle, nackt.
    Ungezogen.
    So ist sein Blick. Und er nimmt sich Zeit. Lässt die grauen Augen auf mir ruhen, ohne dass es ihm peinlich ist oder er unsicher wird. Als hätten wir eine heimliche Abmachung.
    Er und ich.
    Aina und ich bahnen uns unseren Weg durch das Meer von Tischen und Stühlen, zwängen uns zwischen einer Gruppe kräftiger Frauen hindurch, die auf Finnisch radebrechen, und klettern über einen riesigen schwarzen Hund, bis wir endlich Sven erreichen, der aufschaut und den Kopf schräg legt.
    »Oh, meine jungen weiblichen Kollegen«, sagt er, nicht ohne Ironie in der Stimme. »Wollt ihr mir Gesellschaft leisten? Worauf seid ihr aus, auf mich oder auf den Tisch?«
    »Hör auf zu maulen, Sven!«, sagt Aina. »Wir laden dich auch auf ein Bier ein.«
    »Keine Chance«, wehrt Sven ab. »Ich warte auf Birgitta.« Birgitta Börjesdotter Widelius ist Svens Frau. Eine gesetzte Frau mit graumeliertem Haar und einem sinnlichen Zug, die seit vielen Jahren eine Professur in Genderwissenschaft an der Universität Uppsala innehat. Sowohl ich als auch Aina, wir beide sind beeindruckt von Birgitta. Ihre akademische Karriere
ist ohnegleichen, ihre Forschung von Bedeutung, ihre Persönlichkeit stark.
    Aber genauso beeindruckt, wie wir von Birgitta sind, genauso ein großes Rätsel ist uns die Beziehung zwischen Birgitta und Sven. Sven ist charmant und attraktiv, und dessen ist er sich bewusst. Er ist ein Charmeur und vielleicht auch Verführer. Üble Gerüchte behaupten, dass seine akademische Karriere aufgrund einer erotischen Affäre mit einer Doktorandin oder vielleicht sogar mit einer Studentin im Grundstudium ins Stocken kam. Dass er untreu war, konnte für kaum einen verborgen bleiben, auch nicht für Birgitta. Dennoch blieben sie zusammen.

Weitere Kostenlose Bücher