Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Rituale aus, die von der Umgebung als merkwürdig oder außergewöhnlich angesehen werden, und deshalb tut man alles, um diese Besonderheiten zu verbergen. Oft besteht die Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden. Auch bei Peter sehe ich diese Angst. Ich sehe sie in seinem Blick, der meinem ausweicht, in der leichten Rötung in seinem Gesicht. Es ist schwer für ihn, sich zu offenbaren, das Schweigen zu brechen und über das zu reden, von dem ich vermute, dass es seit seiner Kindheit im Verborgenen blüht.
»Haben Sie schon früher Hilfe für diese Probleme gesucht?«
Peter schüttelt nur den Kopf und bestätigt damit meinen Verdacht.
»Erzählen Sie von den anderen Dingen!«
Ich will ihm signalisieren, dass mich das, was er mir erzählt, nicht aus der Fassung bringt und dass ich ähnliche Geschichten schon früher gehört habe.
»Da sind Gedanken, jemanden zu verletzen.«
Wieder schaut er zu Boden und bürstet langsam unsichtbare Staubflocken vom Hosenbein.
»Verletzen?«
»Äh, es fing an, als ich den Führerschein gemacht habe. Mir kam der Gedanke, ich könnte jemanden mit dem Auto anfahren. Ein Kind vielleicht. Einen armen Teufel, der das Pech hatte, auf mich zu stoßen.«
Er verzieht das Gesicht und sieht unendlich bekümmert aus.
»Und dann wurden die Gedanken immer stärker, ich fing an zu glauben, dass ich tatsächlich jemanden überfahren hatte, es aber nicht gemerkt hätte. Ich fuhr dann mit dem Wagen zurück
und suchte. Es ging so weit, dass ich aus dem Wagen stieg und Bürgersteige und Zebrastreifen entlang lief und nach Zeichen dafür suchte, dass ich jemanden verletzt hatte – zerbrochene Zweige, Blut auf dem Bürgersteig, ein Körper. Manchmal entdeckte ich einen Fleck auf der Straße oder so – zum Beispiel einen Ölfleck -, und dann musste ich genau untersuchen, was es war. Ich hockte mich hin und roch an dem Fleck. In Todesangst, dass mich jemand sehen und mein Verhalten merkwürdig finden würde. Total verrückt. Und wenn ich meine Suche beendet und nichts gefunden hatte, dann konnte ich es immer noch nicht glauben. Ich war gezwungen, noch einmal von vorn anzufangen, und dann noch einmal.«
Peter schweigt, sein Gesicht hat sich verändert, gequält und verkniffen sieht er jetzt aus.
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe aufgehört, Auto zu fahren«, antwortet er blitzschnell. »Es wurde zu anstrengend. Ich bin fast zehn Jahre lang nicht mehr gefahren.«
»Und was ist nach zehn Jahren passiert? Haben Sie da wieder angefangen?«
»Ich war gezwungen, meinen Vater ins Krankenhaus zu fahren. Wir glaubten, er hätte einen Schlaganfall. Es war an Heiligabend, in der ganzen Stadt war kein Taxi aufzutreiben. Chaos beim Notruf. Der Krankenwagen ließ auf sich warten. Meine Mutter drehte durch, fing an zu schreien und zu weinen. Alle hatten etwas getrunken, alle bis auf mich. Irgendwie hat es geklappt. Wir sind zum Sankt Göran gefahren, und ich habe nicht einmal daran gedacht, dass ich jemanden überfahren könnte. Wollte nur dort ankommen.«
»Und dann?«
»Seitdem funktioniert es. Ich meine das Autofahren. Die Gedanken sind weg. Aber dafür sind jetzt andere da.« Wieder
verstummt Peter. Dieses Mal ist sein Schweigen anders, und ich kann ihm ansehen, dass wir uns dem Grund nähern, warum er gerade jetzt Hilfe gesucht hat. Ich spüre auch, wahrscheinlich weil ich sein Zögern wahrnehme, dass er nicht erzählen will, um was seine Gedanken kreisen, was immer es auch ist. Ich schiele zur Uhr. Ich weiß, unsere Zeit ist gleich zu Ende, und bevor die Sitzung beendet ist, möchte ich Peter noch eine kurze Beschreibung geben, was ein Zwangssyndrom ist, und ihm erklären, dass es dafür Hilfe gibt.
Ich möchte ihm außerdem ein paar Formulare geben, die er bis zum nächsten Mal ausfüllen soll. Wenn ich ihn zu sehr unter Druck setze, besteht das Risiko, dass Peter sich zwar öffnet, wir aber gezwungen sind, abzubrechen, ohne dass er sich wirklich erklären kann – und ohne dass ich ihm sinnvolle Informationen dahingehend geben kann, wie man mit dem, um das seine Gedanken kreisen, arbeiten kann -, und dem möchte ich ihn nicht aussetzen. Also beschließe ich stattdessen, die Sitzung auf konkrete Informationen hin zu lenken und auf das Ende hin.
»Okay«, sage ich. »Ich verstehe. Das nächste Mal werden wir genau diese Gedanken in den Mittelpunkt stellen. Aber jetzt möchte ich gern auf das eingehen, über das Sie bisher gesprochen haben. Kennen Sie den Terminus
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