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Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Therapie: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Zu oft hatte er es miterleben müssen, dass der Dackel, der eigentlich über den Tod des Ehepartners hinwegtrösten sollte, nur wenige Tage nach der Beerdigung selbst einem Unfall zum Opfer fiel.
    Oder verschwand.
    Sindbad war unauffindbar. Doch aus irgendeinem Grund bekam Viktor deshalb keinen Nervenzusammenbruch, rannte nicht aufgewühlt und verzweifelt in den Ort, rief nicht alle Nachbarn an. Er hatte lediglich Halberstaedt auf den Anrufbeantworter gesprochen und ihn informiert. Jetzt suchte er etwa zweihundertfünfzig Meter vom Haus entfernt den von Treibholz übersäten Strandabschnitt ab und hielt nach den breiten Pfotenspuren des Golden Retrievers Ausschau. Vergeblich. Wenn es sie hier einmal gegeben hatte, waren sie jetzt zumindest nicht mehr vorhanden.
    »Sindbad!«
    Er wusste, dass es unsinnig war, seinen Namen zu rufen. Selbst wenn sich der Hund in der Nähe aufhielt, würde er momentan auf kein Kommando mehr hören. Sindbad war ein Angsthase. Schon das Knacken von Fichtenholz im Kamin ließ ihn erzittern, und zu Silvester musste Isabell ihm Beruhigungsmittel in sein Trockenfutter mischen, damit er nicht bei jedem Böllerschuss hyperventilierte. Einmal waren sie im Grunewald gewesen, und ein einziger Schuss eines Jägers hatte dafür gesorgt, dass Sindbad den ganzen Weg nach Hause gelaufen war, ohne auf ein einziges Kommando seiner Besitzer zu hören.
    Das laute Getöse der Wellen musste den Hund in Angst und Schrecken versetzt haben. Das machte es ja so mysteriös, dass er überhaupt ausgerissen war und den Schutz des Hauses aufgegeben hatte. Wie konnte er das überhaupt, da alle Türen geschlossen waren?
    Viktor hatte das Strandhaus akribisch vom Keller bis zum Dachboden durchgekämmt. Nichts. Er hatte selbst den alten Generatorschuppen im Garten aufgeschlossen, um dort nach dem Tier zu suchen. Aber allein wegen des verriegelten Schlosses war es unmöglich, dass Sindbad sich dorthin verkrochen haben konnte. Genau so unmöglich, wie auf einer Insel spurlos zu verschwinden, dachte Viktor. Sindbad wäre auch niemals allein nach draußen gegangen, es sei denn …
    Viktor drehte sich ruckartig um und stand jetzt seitlich zu den Wellen. Für einen kurzen Moment schöpfte er Hoffnung, als er in etwa hundert Meter Entfernung eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. Ein Tier kam von weitem auf ihn zu, und es war definitiv so groß wie ein Hund. Aber sein Glücksgefühl erstarb so schnell, wie es gekommen war, als er sah, dass das Tier kein helles Fell hatte. Und dass es kein Tier war, sondern ein Mensch, der einen dunklen Mantel trug.
    Anna.
    »Schön, dass Sie mal ins Freie gehen«, rief sie, als sie bis auf etwa zehn Meter an ihn herangekommen war. Trotz der knappen Entfernung hatte er Mühe, sie zu verstehen, denn der Wind riss einige Silben aufs Meer hinaus.
    »Aber für einen Strandspaziergang haben Sie sich nicht das richtige Wetter ausgesucht.«
    »Und nicht den richtigen Anlass«, rief er zurück und spürte sofort wieder die Halsschmerzen, die er über Sindbads Verschwinden fast vergessen hatte.
    »Wie meinen Sie das?« Sie war bis auf wenige Schritte an ihn herangekommen, und Viktor war zum zweiten Mal erstaunt, wie unbeschadet ihre Lackschuhe den langen Fußweg vom Ort bis hierher überstanden hatten. Weder Schmutz noch Sandklumpen hafteten an ihnen.
    »Ich suche meinen Hund. Er ist mir weggelaufen.«
    »Sie haben einen Hund?«, fragte Anna und hielt sich mit der rechten Hand ihr Kopftuch fest, damit der Sturm es nicht fortwehte.
    »Natürlich. Einen Golden Retriever. Sie haben ihn doch gesehen. Er lag bei unseren letzten Gesprächen immer zu meinen Füßen.«
    »Nein.« Anna schüttelte den Kopf. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«
    Viktor hatte das Gefühl, ihre unerwarteten Worte wirkten mit einer größeren Kraft auf ihn ein als die Orkan-Böen, die unaufhörlich an ihm zerrten. Sein rechtes Ohr begann zu klingen, und seine innere Leere war mit einem Schlag einer tiefen Furcht gewichen.
    Die Frau ist nicht koscher.
    Regenwasser tropfte Viktor von den Brauen direkt in die Augen, und Annas Gesicht verschwamm. Gleichzeitig wurden Gesprächsfetzen aus ihrer ersten Unterhaltung in seiner Erinnerung laut: »… doch ich hämmerte weiter auf ihn ein, bis das Blut aus seinem Maul kam und er schließlich nur noch ein Klumpen Fleisch war, aus dem ich jegliches Leben geprügelt hatte.«
    »Wie bitte?«
    Offenbar hatte Anna etwas zu ihm gesagt, aber Viktor hatte nur gesehen, wie sie ihre Lippen

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