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Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Therapie: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Vorerst.
    Als er sein Gesicht im Spiegel sah, erschrak er. Es gab keinen Zweifel. Er war krank. Dunkle Augenränder, blasse Haut. Schweißperlen auf der Stirn. Ein glasiger Blick. Und noch etwas.
    Etwas ist anders als sonst.
    Viktor starrte sein Spiegelbild an und versuchte, seine eigenen Augen zu fixieren. Aber es gelang ihm nicht. Je stärker er sich konzentrierte, desto unschärfer wurde das Bild.
    »Verdammte Tabletten«, murmelte er und griff nach dem Einhebelmischer der Dusche. Er zog ihn nach links oben und ließ den Wasserstrahl eine Weile laufen. Wie immer brauchte der alte Generator längere Zeit, um das Wasser aufzuheizen, doch heute war seine Frau nicht da, um sich über diese Verschwendung aufzuregen.
    Viktor starrte in der Zwischenzeit weiter in den großen Wandspiegel über dem Marmorwaschbecken und fühlte eine schwere Müdigkeit. Das beständige Rauschen des Wassers war eine passende Untermalung seiner Gedanken.
    Etwas ist anders, aber ich kann es nicht erkennen. Es ist so … verschwommen.
    Er riss seinen Blick wieder los und legte sich ein Badehandtuch zurecht, bevor er die Glastür öffnete und in den Dampf trat. Der herbe Duft von Acqua di Parma tat ihm gut, und nach dem Duschen fühlte er sich deutlich entspannter. Der heiße Wasserstrahl hatte die oberste Schicht der Schmerzen abgespült und im Abfluss verschwinden lassen. Leider hatte er seine Gedanken nicht mitnehmen können.

    Etwas ist anders. Etwas hat sich verändert. Was?

    Viktor wählte im Ankleidezimmer eine alte 501-Jeans und schlüpfte in seinen blauen Polo-Pullover. Er wusste zwar, dass Anna heute vorbeikommen würde, und hoffte es sogar, um den Fortgang der Geschichte erzählt zu bekommen. Vielleicht sogar das Ende. Aber heute fühlte er sich dermaßen schlecht, dass Anna wohl mit ihm in seiner Freizeitkleidung vorlieb nehmen musste. Wenn sie dafür überhaupt Augen hatte.
    Viktor ging die Treppe hinunter und hielt sich vorsichtshalber an dem hölzernen Geländer fest. In der Küche füllte er den Elektrokocher mit Wasser und holte sich Teebeutel aus dem Schrank. Dann griff er nach einer dickbauchigen Tasse, die an einem Holzhaken an der Wand zwischen Spüle und Herd hing. Er versuchte, sich auf sein Frühstück zu konzentrieren, und vermied es dabei, durch die regennasse Fensterscheibe auf den begräbnisschwarzen Himmel von Parkum zu schauen. Doch die routinemäßigen Tätigkeiten in der Küche vermochten nicht, ihn abzulenken.

    Was ist hier los? Was stimmt nicht?

    Als er sich zum Kühlschrank umdrehte, um die Milch herauszuholen, streifte sein Blick kurz das polierte Cerankochfeld des Herdes. Und wieder sah er sein Spiegelbild. Diesmal war es noch verschwommener. Fast verzerrt. Und auf einmal war es ihm klar:
    Wo ist …?
    Sein Blick wanderte über den Herd nach unten und glitt dann über den handverlegten Steinfußboden.
    Plötzlich war es wieder da. Das gleiche elende Gefühl wie gestern, als er Kai durch den Bungalow ferngesteuert hatte.
    Etwas fehlt.
    Viktor ließ die Tasse fallen und rannte in die Diele. Er riss die Tür vom Kaminzimmer auf und sah zu seinem Schreibtisch.
    Seine Unterlagen. Das ausgedruckte E-Mail mit den Fragen der Bunten . Der aufgeklappte Laptop. Alles in Ordnung.
    Nein. Etwas fehlt.
    Viktor schloss die Augen, in der Hoffnung, dass alles zurück an seinem Platz sein möge, wenn er sie wieder öffnete. Doch er hatte sich nicht geirrt. Auch als er erneut hinsah, hatte sich nichts verändert.
    Unten. Unter dem Schreibtisch. Nichts.
    Sindbad war verschwunden.
    Er rannte zurück in die Küche und sah wieder auf den Fußboden.
    Wieder nichts.
    Von Sindbad keine Spur. Und außer ihm fehlten sein Fressnapf, die Wasserschüssel, das Hundefutter und auch seine Schlafdecke unter dem Schreibtisch war nicht mehr da. So als ob er niemals bei ihm auf der Insel gewesen wäre. Doch das hatte Viktor in seiner Aufregung alles noch gar nicht bemerkt.

18. Kapitel
    E r stand am Strand und ließ sich die Regentropfen ungehindert ins Gesicht wehen und dachte nach. Am meisten wunderte Viktor sich darüber, wie wenig es ihm ausmachte, dass der Hund weggelaufen war. Natürlich war er traurig und entsetzt. Aber das Gefühl war nicht so intensiv, wie er es sich immer in seinen Albträumen ausgemalt hatte. War es doch stets seine größte Angst gewesen, dass genau das passieren könnte. Erst Josy, dann Sindbad. Weg. Verschwunden. Spurlos.
    Genau aus diesem Grund hatte er nie einem trauernden Patienten zu einem Haustier geraten.

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