Die Therapie: Psychothriller (German Edition)
ansah.
Noch vorgestern hatte er sich auf 450322 Euro belaufen.
Doch gestern hatte jemand den gesamten Betrag auf einmal abgehoben.
34. Kapitel
Heute. Zimmer 1245. Klinik Wedding
U nd das war das erste Mal, dass Sie über Isabell nachdachten?« Dr. Roth hatte sich entgegen der Vorschriften im Krankenzimmer eine Zigarette angezündet und ließ Larenz zwischen den Sätzen immer wieder daran ziehen.
»Ja. Die Vorstellung, sie könne etwas damit zu tun haben, war aber so erschreckend, dass ich den Gedanken sofort wieder verdrängte.«
»Aber war sie die Einzige, die eine Kontovollmacht besaß?«
»Ja. Sie hatte Zugang zu all meinen Konten. Wenn kein Fehler der Bank vorlag, hatte sie die Abhebung getätigt. So dachte ich zumindest.«
Der Pieper von Dr. Roth meldete sich erneut, doch diesmal unterdrückte er nur das Signal, ohne das Zimmer zu verlassen.
»Wollen Sie nicht rangehen?«
»Nicht wichtig.«
»Ihre Frau?«, flachste Larenz, doch Roth ging nicht auf seinen Scherz ein.
»Bleiben wir lieber bei Ihrer Gattin, Doktor. Warum haben Sie nicht Kai beauftragt, Isabell einmal näher unter die Lupe zu nehmen?«
»Können Sie sich an die Hitlertagebücher erinnern?«, stellte Larenz die Gegenfrage. »Die Fälschungen, auf die der Stern reingefallen ist?«
»Natürlich.«
»Ich hatte vor langer Zeit einmal ein Gespräch mit einem Journalisten, der damals bei der Zeitschrift beschäftigt und direkt in den Skandal verwickelt war.«
»Ich bin gespannt.«
»Nun, ich habe den Mann hinter den Kulissen bei einer Talkshow kennen gelernt, in der ich als Gast auftreten sollte. Er wollte erst gar nicht gern über die Vorfälle reden, aber nach der Aufzeichnung der Show lockerten zwei, drei Bier in der Senderkantine seine Zunge. Und dann gestand er mir etwas, was ich nie vergessen werde.«
»Und das wäre?«
»Er sagte: ›Wir hatten uns mit den Tagebüchern so weit aus dem Fenster gelehnt, dass sie einfach echt sein mussten. Nach dem Motto: Das, was nicht wahr sein darf, ist auch nicht wahr. Und deshalb suchten wir nie nach Anzeichen, ob wir einem Fälscher aufgesessen sein könnten. Wir suchten nur nach Indizien, mit denen bewiesen werden konnte, dass die Bücher echt waren.‹«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Was Isabell betraf, galt für mich dasselbe wie mit den Hitlertagebüchern: Was nicht sein soll, das ist auch nicht so.«
»Und deshalb stellten Sie keine Nachforschungen an?«
»Doch. Aber nicht sofort. Erst einmal hatte ich ganz andere Dinge zu tun.«
Viktor zog noch einmal an der Zigarette, die ihm Dr. Roth hinhielt.
»Ich musste zusehen, dass ich von der Insel lebend wieder runterkam.«
35. Kapitel
H ilf mir!«
Zwei Wörter. Und das Erste, was Viktor durch den Kopf schoss, war die triviale Feststellung, dass Anna ihn zum ersten Mal geduzt hatte.
Der Horizont war bedrohlich nah an das Haus herangerückt. Ein dichtes, dunkelgraues Wolkenmassiv hing zum Greifen nah über der Insel und rückte wie eine Betonwand unablässig in Richtung seines Hauses. Der Sturm zog jetzt vollends auf. Als Viktor sein Krankenbett verlassen hatte, um zu sehen, wer lautstark an die Haustür trommelte, meldete der Seewetterdienst bereits Windstärke 10 bis 11. Doch von diesen Naturgewalten bekam Viktor nichts mit. Er hatte kurz vorher eine starke Schlaftablette genommen, um sowohl seiner Krankheit wie auch seinem Kummer für einige Stunden zu entfliehen. Und alle Sinne, die noch nicht von dem Barbiturat benebelt waren, wurden in dem Moment, als er die Tür öffnete, von einer anderen Katastrophe in Beschlag genommen: Anna war wider Erwarten zurückgekommen, und Viktor hätte nie gedacht, dass jemand in einer solch kurzen Zeit eine derartige Verschlechterung seines Gesundheitszustands durchleiden kann. Es war erst anderthalb Stunden her, seit sie ihn wutentbrannt verlassen hatte. Jetzt war ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen, das Haar hing stumpf in Strähnen herab, und die Pupillen ihrer Augen waren angstvoll geweitet. Ihr Mitleid erregender Zustand wurde zusätzlich durch die völlig durchnässten und verdreckten Kleider unterstrichen, die sie am Leib trug.
»Hilf mir!«
Diese beiden Worte waren zugleich ihre letzten für diesen Tag. Anna brach vor Viktors Augen zusammen und krallte sich im Fallen noch an seinem blauen Baumwollpullover fest. Zuerst dachte er, sie hätte einen epileptischen Anfall. Nicht selten war Epilepsie Ursache für schizophrene Attacken. Dann aber sah er, dass sie weder spastisch
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