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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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ihn aufhalten und wusste doch, dass ich das nicht konnte. Nicht jetzt. Erst musste ich mit Felix reden. Und so saß ich reglos auf der Mauer und sah Marc nach, bis die Dunkelheit ihn verschluckt hatte.
    Nach einer Weile rührte sich etwas hinter mir. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür erklang, leise Schritte waren zu hören, zögerlich, als ob sie sich nicht sicher wären.
    »Leni …«
    Ich drehte mich um, sah Felix, sein liebes Gesicht, und streckte die Hand nach ihm aus.
    »Warum bist du gegangen?«, flüsterte ich.
    Er setzte sich neben mich, steif, auf Abstand bedacht. »Ich hatte das Gefühl, dass es besser wäre.«
    Schweigen.
    Dann räusperte er sich. »Wer ist er?« Ganz unsicher, fast ein wenig ängstlich hatte er gesprochen, so als ob er sich vor meiner Antwort fürchtete.
    In meinem Kopf drehte sich alles. Tränen liefen mir übers Gesicht. Felix strich mir über den Rücken.
    Ich zitterte. »Es tut mir so leid. Ich habe Angst, Felix. Alles ist anders und so verwirrend. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Ich … ich weiß … weiß noch nicht einmal mehr, wer ich … ich … bin …«
    Felix drehte meinen Kopf zu sich herum und hielt mein Gesicht in seinen Händen. Er schaute mich eindringlich an. »Was redest du da bloß, Leni?«
    »Ich schäme mich so vor dir«, brachte ich hervor. »Du bist doch mein Freund und wir wollten immer ehrlich zueinander sein, aber …«
    Mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Ratlosigkeit sah Felix mich an. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll …«
    »Halt mich fest«, flüsterte ich. »Halt mich einfach nur fest.«
    Und Felix hielt mich fest, so sehr, dass der Schmerz mich nicht zerreißen konnte.
    Doch als meine Schultern zu zittern aufhörten und mein Schluchzen verhallte, da fragte er noch einmal: »Wer war das eben, Leni? Warum stand dieser Typ so spät am Abend vor deiner Tür? Warum nimmt er dich in den Arm, als ob er … als ob ihr …«
    »Bitte«, stöhnte ich leise. »Bitte nicht hier.«
    Aus Felix’ Brust drang so etwas wie ein Knurren. »Ich muss es aber wissen.« Seine Stimme klang gequält.
    Ich zögerte. »Nicht hier«, wiederholte ich.
    Felix stand auf und half mir hoch. Er hielt meine Taille umfasst, bis er sicher war, dass ich nicht umkippen würde.
    »Es geht schon«, log ich.
    Er nahm meine Hand. »Komm«, sagte er und zog mich mit sich ums Haus herum, in den Garten, zum Baumhaus.
    »Pass auf, wo du hintrittst«, warnte er mich, als ich die Leiter emporzuklettern begann.
    Dann saßen wir uns im Stockdunkeln gegenüber. Unsere Knie berührten sich.
    »Felix, ich …«, fing ich an, aber meine Stimme kippte. Ich schluckte schwer, versuchte es noch einmal. »Ich … ich … Das war Marc. Ich habe mich in ihn … verliebt.«
    Stumm vor Überraschung schaute Felix mich an.
    »Erstaunlich«, sagte er und es klang verwundert und belustigt zugleich. »Ich hatte tatsächlich recht.«
    »Felix, es tut mir so leid«, beteuerte ich. »Es ist einfach passiert. Ich wollte dir nicht wehtun, ich …« Ich fühlte mein Herz rasen, das Blut heiß und schnell durch meine Adern rauschen.
    Felix wirkte wie betäubt. Er hob die Hand und strich mir sanft über die Wange. Er schien mich nicht verstanden zu haben.
    »Aus der Ferne betrachtet, mögen Frauen toll sein, und es kommt einem faszinierend vor, sich auf sie einzulassen«, sagte er nachdenklich und schloss die Augen. »Aber von Nahem erkennt man ihr wahres Gesicht und ist verloren, wenn man ihnen glaubt.«
    Als er die Augen wieder öffnete, sah ich Tränen darin aufblitzen, und ich fing erneut an zu weinen.
    »Felix, es … es …«
    Er hob die Hand, zeichnete mit den Fingerspitzen die Konturen meines Gesichts nach. »Du siehst so müde aus.«
    »Und du siehst so traurig aus«, flüsterte ich zurück und schaute auf die dunklen Schatten unter seinen Augen.
    Er zuckte mit den Schultern. »Es ist schon okay, Leni … Ich kenne den Schmerz ja schon und ich werde es auch diesmal überleben.«
    Dann zog er mein Gesicht an seine Brust. Und in seinen Armen konnte ich mich für einen letzten Moment der trügerischen Vorstellung hingeben, er würde mir verzeihen. Irgendwann.
    Aber das war nur eine kleine dumme Illusion. Ich hatte schon verstanden.

D ie Sterne, die begehrt man nicht,
man freut sich ihrer Pracht,
und mit Entzücken blickt man auf
in jeder heitern Nacht.
(Johann Wolfgang von Goethe)
17
    Blinzelnd öffnete ich die Augen und streckte mich.
    »Wo sind wir?«, murmelte ich verschlafen.
    »Auf englischem

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