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Die Tigerin

Die Tigerin

Titel: Die Tigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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immer verwirrender. Früher einmal wußte
ein Mann, was er war, oder bildete sich jedenfalls ein, es zu wissen — aber
heutzutage war es schwer, ein Nonkonformist zu bleiben. Ich hatte mich nie
ausgesprochen für den Typ des in einer Organisation haftenden Menschen
empfunden — eher hätte ich mich als einen um einen gesellschaftlichen Status
ringenden Menschen bezeichnet — aber heutzutage stand man vor so vielen
Alternativen, vom Müllabfahren bis zum Spezialwerbefachmann, daß man sich
wirklich schwer tat, eine Entscheidung zu treffen. Als der hochkant gestellte
Sarg mich endlich im richtigen Stockwerk ausspie, glaubte ich mich dafür
entschieden zu haben, Sex-Spezialist zu sein, selbst wenn mich Kinsey als
veraltet und um nahezu zehn Jahre hinter meiner Zeit herhinkend bezeichnen
sollte. Wenn jemandem seine Arbeit Spaß macht, zum Teufel? So dachte ich,
während ich den Daumen auf den Knopf neben Tania Strouds Tür drückte.
    Fünf
Sekunden später war ich so verwirrt, daß ich alle Philosophie vergessen hatte.
Ich hatte eine Vision in Technicolor mit vorwiegend
zitronengelbem Grundton zur Begrüßung erwartet, aber jemand hatte schnell
umgeschaltet; und was ich statt dessen sah, war
monotones Grau. Ein großer Bursche mit einem dunkel brütenden Gesicht und
aufgeknöpftem Hemd, das ein Gestrüpp rauher schwarzer
Haare auf seiner Brust zum Vorschein kommen ließ, stand an der Tür. Ein
Bursche, der tief in der Kehle zu grollen begann, als er mich sah, als wäre er
am Verhungern und ich hinge am Haken im Schaufenster eines Metzgers.
    »Ich
habe gehofft, Sie würden angeschlichen kommen, solange ich hier bin«, sagte er
zutiefst befriedigt. »Und sie hat mir die Hucke vollgelogen, daß es da keinen
anderen Burschen gäbe! Wissen Sie was, Sie Würstchen? Sobald ich mit Ihnen
fertig bin, wird sie damit verdammt recht haben !«
    Er
ließ mir keine Zeit zum Widerspruch. Seine Linke packte meine Jacke, und
während er mich zu sich hin zerrte, formte sich seine Rechte zu einem häßlichen
Ball, dessen Knöchel genau in Richtung auf mein Gesicht wiesen. Ich reagierte
schnell, hauptsächlich im Hinblick auf meine Zähne, und trat ihm zweimal heftig
auf den Rist seines einen Fußes. Er öffnete den Mund, um zu schreien, und ich
rammte ihm meine steif ausgestreckten Finger in den Solarplexus und
verabreichte ihm eine zusätzliche Prämie mit der Handkante gegen seine Kehle.
    Ich
hatte bei weitem genügend Zeit, um seine Hand von meiner Jacke zu lösen,
während er einfach mit weit offenem Mund und hervortretenden Augen dastand und
seine Wangen langsam eine mattblaue Färbung annahmen. Alles in allem war er so
ausreichend mit seinen Unpäßlichkeiten beschäftigt,
daß er nicht einmal bemerkte, als ich um ihn herumging und ins Appartement
trat.
    Tania Stroud saß auf der Couch im Wohnzimmer, ihre Augen
waren weit aufgerissen, und ihr flamingorotes Haar
war etwa ebenso unordentlich wie ihr zitronengelber Pullover. Die schweren
Vorhänge waren noch immer vor dem großen Fenster zugezogen und verliehen dem
Zimmer diese gewisse schummrige Intimität, ein Eindruck, der noch durch zwei
vertraulich Rand an Rand auf dem kleinen Tisch neben der Couch stehende Gläser
verstärkt wurde. Es war die klassische Gelegenheit für den sympathischen jungen
Helden, sittsam zu erröten und zu fragen, ob er störe.
    »Was
ist mit Benny passiert ?« fragte sie tonlos.
    »Meinen
Sie den Kerl mit den vielen Haaren auf der Brust ?«
    » Wen denn sonst ?« gurgelte sie.
    »Er
hat ein bißchen Atemnot«, sagte ich. »Entweder ist es Asthma oder er hat
kürzlich ein bißchen zuviel Zimmergymnastik
getrieben. Er wird bald wieder auf dem Damm sein, vermute ich .«
    Schwere
Schritte bestätigten meine Voraussage, und gleich darauf trampelte der große
Bursche ins Wohnzimmer. Mordlust und Zerstörungswut lagen wie ein rötlicher
Dunstschleier über seinen Augen, während er auf mich zustampfte .
    »Wollen
Sie ihm nicht sagen, wer ich bin, Mrs. Stroud ? « schlug ich vor, während er noch etwa zehn
Schritte entfernt war. »Sagen Sie ihm, daß ich ihm neunundneunzig Jahre wegen
versuchten Mordes besorgen kann, selbst wenn ich ihm in der Notwehr zweimal in
den Bauch geschossen habe .«
    »Benny«,
sagte Tania mit erstickter Stimme, »er ist Polizeibeamter !«
    »Ist
mir völlig egal, was er ist ,« sagte Benny
schwerfällig. »Aber gleich, nachdem ich mit ihm fertig bin, ist er eine...« Er
brach plötzlich ab, Stimme und Füße erstarrten gleichzeitig.

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