Die Tigerin
»Ein Polyp?«
»Lieutenant
Wheeler vom Büro des Sheriffs«, keuchte Tania. »Ich hab’ dir doch gesagt, daß
außer ihm niemand da war. Warum klappst du nicht einmal deine dicken Ohren auf
und hörst gelegentlich mal zu ?«
»Ein
Polyp!« Bennys Gesichtsausdruck durchlief eine Reihe schneller und krampfhafter
Wandlungen, um schließlich mit der miserablen Imitation eines Lächelns zu
enden.
» Ääh «, krächzte er schwach. »Entschuldigung! Sie begreifen
sicher, Lieutenant, ich habe mich geirrt. Ich meine, ich dachte, Sie wären...«
»Jaja«,
sagte ich. »Schon gut — ich habe schließlich nichts abgekriegt, und deshalb
sind Sie entschuldigt .«
»Danke !« Er schloß eine Sekunde die Augen, während er heftig
zitterte. »Vielen Dank!«
»Ich
möchte mit Mrs. Stroud reden«, fuhr ich gelassen fort. »Wie wär’s, wenn Sie Ihren Mantel nähmen und
abschöben ?«
»Reden?«
Seine Augen weideten mich aus und ließen brennende Kohlen in die leergewordene
Höhlung fallen. »Wie lange wird das dauern ?«
Ich
zuckte die Schultern. »Wer weiß? Eine Stunde — vielleicht
auch zwei Tage. Warum rufen Sie Mrs. Stroud nicht nächste Woche einmal an und erkundigen sich ?«
»Hören
Sie zu !« bellte er wütend, »Sie können nicht...« Dann
wurde ihm klar, was ein lausiger Bastard wie ich unter Umständen tun konnte und
tun würde. Seine massiven Schultern sanken dramatisch herab. »Na schön«,
murmelte er. »Ich rufe dich dann an, Tania. Nicht?«
»Ja,
Benny«, sagte sie und vermied so lange sorgfältig seinen besorgten Blick, bis
er seinen Mantel ergriff und aus dem Zimmer schlurfte.
Die
Wohnungstür schlug hinter ihm zu, und Schweigen entstand im Zimmer. Ich zündete
eine Zigarette an und sah zu, wie Tania Stroud ihren
zerknitterten Pullover mit einem zweimaligen scharfen Ruck glattzog und dann
eine Weile an ihrem Haar herumzupfte, bis sie schließlich den Versuch, die
ursprüngliche Frisur wiederherzustellen, aufgab.
»Sie
tauchen, weiß der Himmel, immer in den ungünstigsten Augenblicken auf,
Lieutenant«, sagte sie schließlich. »Haben Sie was auf dem Herzen oder sollte ich
vielleicht eine Parkuhr aufstellen ?«
»Dieser
Benny ist ein temperamentvoller Knabe«, sagte ich träge. »Womit verdient er
sein Geld ?«
»Er
fährt einen Lastwagen«, sagte sie beiläufig. »Eigentlich war mir das, was eben
passiert ist, ziemlich egal. Neuerdings wird er recht lästig .«
»Wo
haben Sie ihn kennengelernt — im Klub ?«
»Irgendwann
mal nachts in einer Bar in der Innenstadt«, sagte sie gleichgültig. »Ich hatte
Langeweile und er... Klub? Was für ein Klub?«
»Der Landklub — bei Corben «, sagte
ich.
Ihre
Hand fuhr nervös an die runde weiche Wange, während
sie zu mir emporblickte. »Hat Ihnen Frank Corben von
dem Klub erzählt ?«
»Natürlich.«
Ich nickte. »Zwischen Frankie-Boy und mir gibt’s keine Geheimnisse. Ich habe
sogar die Hostess Nummer eins kennengelernt — Betty .«
»Dieses Mistvieh !« knurrte sie.
»Davon
habe ich nichts gemerkt, solange ich dort war«, sagte ich. »Aber vielleicht
haben Sie recht .«
»Ich
brauche einen Whisky«, sagte sie tonlos. Sie stand auf, und ihre Hände
glätteten geistesabwesend die sich eng um die wohlgerundeten Hüften
schmiegenden Hosen. »Wie steht’s mit Ihnen, Lieutenant ?«
»Scotch
auf Eis, ein bißchen Soda«, sagte ich dankbar.
Sie
nahm die beiden leeren Gläser von dem kleinen Tisch und trug sie in die Küche
hinaus. Ich drückte meine Zigarette in einem zerbrechlichen Aschenbecher aus
zartem Porzellan aus und setzte mich dann auf die Couch. Ein paar Sekunden
später kam Tania wieder ins Wohnzimmer und brachte die vollen Gläser mit. Ich
nahm das meine aus ihrer Hand, während sie sich, einen vorsichtigen und
abschätzenden Schimmer in den kalten blauen Augen, neben mich setzte.
»Prost«,
sagte ich und trank einen Schluck Whisky.
»Ich
begreife nicht, daß Frank Ihnen von dem Klub erzählt hat .« Sie hob ihr Glas an die Lippen und trank es bedächtig aus. »Hat er Ihnen alles
darüber erzählt, Lieutenant ?«
»Alles«,
antwortete ich selbstzufrieden. »Warum nennen Sie mich nicht Al ?«
»Warum
nicht?« Sie zuckte gleichgültig die festen runden Schultern. »Hat er Ihnen auch
erzählt, daß Martha Mitglied war ?«
»Natürlich«,
sagte ich mit verständnisinnigem Blick und gab hoffnungsvoll einen Schuß ins
Dunkle ab. »Ich habe sogar Hal Baker kennengelernt .«
»Ich
werde Frank Corben das nächste Mal, wenn ich ihn
sehe, die
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