Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tigerin

Die Tigerin

Titel: Die Tigerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Mann mit einem grauen Haarschopf und einem verhutzelten, knorrigen
Gesicht. Er lag friedlich mit weitgeöffneten, ausdruckslos zur Decke starrenden
Augen da. In der Mitte seiner Stirn befand sich ein häßliches von einer Blutkruste umgebenes Loch.
    »Das ist doch der Mann, der uns
heute früh das Tor geöffnet hat ?« sagte ich wie
betäubt.
    »Jordan !« stimmte Williams zu, während der Zeigefinger seiner rechten Hand seinen
Augapfel verließ und sich irgendwelchen Experimenten an seinem Ohrläppchen
zuwandte. »Der Hausmeister.«
    »Wie ist das passiert ?« fragte ich.
    »Er löst — er löste zweimal in
der Woche den Nachtwächter ab«, sagte Williams schnell. »Ich war schon zu Hause
und erledigte meinen Schreibkram, als mir einfiel, daß ich einige wichtige Unterlagen
hier in meinem Büro zurückgelassen hatte; und so kam ich zurück, um sie zu
holen .« Der Zeigefinger hatte die juckende Stelle
gefunden und fuhr in rasender Eile in Kreisbewegungen rund um das Ohrläppchen.
»Ich kam in den Empfangsraum und rief ein paarmal nach ihm«, fuhr er fort.
»Dann bildete ich mir ein, jemanden im Korridor zu hören — und als ich dorthin
kam, stand diese Tür weit offen. Sie hätte bei Nacht verschlossen sein müssen,
Lieutenant, genau wie die anderen, und so ging ich hinein, um nachzusehen, was
los war. Sobald ich drinnen war, hörte ich hinter mir eine Tür zuschlagen und
jemanden in den Empfangsraum rennen. Der Betreffende muß sich in einem der
anderen Räume versteckt gehalten haben, bis ich daran vorbeigegangen war .« Er schauderte. »Wenn ich daran denke, daß ich ihn
entdeckt haben könnte und er mich dann wahrscheinlich auf dieselbe Weise
umgebracht hätte...«
    »Und dann fanden Sie Jordans
Leiche in dem Sarg ?« fragte ich.
    »Nun ja, natürlich blickte ich
hinein, um zu sehen, was den Eindringling interessiert haben könnte .« Ein schabendes Geräusch entstand, als er sich mit langen
Nägeln im Nacken juckte. »Als ich Jordans Leiche sah, können Sie sich
vorstellen, was in mir vorging — ich ganz allein in diesem Raum und ein Mörder,
der sich unter Umständen noch in diesem Gebäude herumtrieb !«
    »Ich könnte es mir vorstellen,
aber ich versuche es nicht«, sagte ich nervös. »Wann geschah dies alles ?«
    »Ich war ungefähr Viertel nach
neun hier .«
    »Sie haben diesen Eindringling —
oder Mörder — persönlich nicht gesehen?
    »Nein«, gestand Williams zögernd. »Ich hörte nur seine Schritte .«
    »Woher wollen Sie dann wissen,
daß es ein >Er< und keine >Sie< war ?«
    »Das weiß ich auch nicht .« Er blinzelte ein wenig. »Aber, Lieutenant, es ist doch
unvorstellbar, daß eine Frau...«
    »Ich stelle mir überhaupt
nichts mehr vor«, brummte ich. »Da ruht kein Segen drauf. Ich rufe jetzt am
besten den Sheriff an und bringe die Dinge in Schwung .«
    »Sie können das Telefon in der
Empfangshalle benutzen«, sagte Williams hilfsbereit.
    Er fuhr sich mit beiden Händen
an den Hinterkopf, um dort neuerlich einen auftretenden Juckreiz im Keim zu
ersticken. »Ich weiß nicht, was ich von dem Ganzen noch halten soll«, fügte er
in einem Ausbruch plötzlichen Anlehnungsbedürfnisses hinzu. »Ursprünglich hat
mich die Aussicht auf Frieden und Ruhe bewogen, meinen Beruf zu ergreifen —
keine häßlichen Zwischenfälle und Streitereien — ein Ort, an dem ein Mensch
durch eine Atmosphäre ruhiger Harmonie besänftigt werden konnte. Und nun ist in
den letzten vierundzwanzig Stunden mein ganzes Weltbild erschüttert worden! Das
macht einen nachdenklich, Lieutenant, das kann ich Ihnen sagen !«
    »Ich kann es Ihnen nachfühlen,
Mr. Williams«, sagte ich nüchtern, während wir den langen Korridor wieder
zurück zur Empfangshalle gingen. »Wenn ich hier zu arbeiten hätte und dann
plötzlich anfinge zu denken, so würden sie mich binnen einer Stunde fest in
eine Zwangsjacke geschnürt von dannen tragen — ins nächste Nervensanatorium .«
     
    Schon bei Tag ist das Büro des
Sheriffs alles andere als ein Genuß, selbst wenn man seine Sekretärin in
Betracht zieht — dieses blonde Stück südlichen Dynamits, Annabelle Jackson.
Jetzt, um Mitternacht, war das Büro ein schauderhafter Ort und gemessen an der
»Ewigen Ruhe« kaum ein Fortschritt — lediglich, daß hier die Leichen
herumliefen und redeten.
    Lavers saß hinter seinem
Schreibtisch, und die Zigarre in seinem Mund qualmte wie ein defekter
Petroleumofen. Doc Murphy lehnte, die Hände tief in die Hosentaschen vergraben,
an der Wand, einen

Weitere Kostenlose Bücher