Die Tigerin
erwartungsvollen und von niederträchtiger Heiterkeit
erhellten Ausdruck auf dem Mephistogesicht . Ich saß
in einem der unbehaglichen Besucherstühle den beiden gegenüber, versuchte von
Murphy keine Notiz zu nehmen, und fragte mich, warum ich nicht einen ehrbaren
Beruf, wie zum Beispiel den eines Leichenhauswärters, ergriffen hatte, anstatt
Polizeibeamter zu werden.
»Nun gut«, sagte Lavers schließlich. »Lassen Sie uns auf den ersten Mord
zurückkommen — auf das Mädchen — Bernice Kains . Wir
wollen bei den Tatsachen bleiben und Ihre phantasievollen Theorien, was das
Motiv anbetrifft, beiseite lassen .«
»Wie Sie meinen, Sir«, stimmte
ich höflich zu.
»Fangen wir mit der Todeszeit
an .« Er starrte fragend zu Murphy hinüber.
»Irgendwann zwischen zehn und
zwölf Uhr nachts«, sagte Murphy kurz. »Sie wurde mit einer Kugel vom Kaliber
zweiunddreißig erschossen, die durch ihre linke...«
»Schon gut«, schnaubte Lavers ungeduldig. »Die medizinischen Details können wir
uns schenken. Ihre Leiche wurde am nächsten Morgen draußen auf dem Friedhof von
dem dortigen Faktotum — Jordan — entdeckt .« Seine
Zigarre flammte in einem heftigen Rot auf. »Wann ist das Mädchen zuletzt lebend
gesehen worden ?«
» Thorro sagt, sie hätte gegen vier Uhr nachmittags seine Praxis verlassen«, erwiderte
ich. »Das war das letztemal , daß er sie sah .«
»Ich habe Sergeant Polnik in das Haus geschickt, in dem sie gewohnt hat«,
sagte der Sheriff steif. »Sie ist in der Nacht nicht heimgekommen — zumindest
hat sie keiner der anderen Bewohner oder der Hausmeister kommen oder gehen sehen .«
»Vielleicht ging sie geradewegs
auf den Friedhof und setzte sich an das offene Grab, um wie ein braves Mädchen
zu warten, bis jemand käme, um sie zu erschießen ?« schlug Doc Murphy gelassen vor.
»Wahnsinnig komisch, Doktor«,
sagte Lavers mit mordlüsterner Stimme. »Es muß an
Ihren vielen mittelmäßigen Autopsien liegen, daß Sie diesen ausgeprägten Sinn
für Humor entwickeln .«
»In der Hauptsache liegt es
daran, daß ich hier soviel herumlungern und mir Ihre
Versuche, Mordfälle aufzuklären, mit anhören muß«, sagte Murphy mit spöttischem
Gackern. »Oh, Mann!«
Das Gesicht des Sheriffs bekam
sofort einen deutlichen Stich ins fleckig Purpurrote. »Wenn ich Ihnen einen
Vorschlag machen dürfte, Doktor«, sagte er, und seine Stimme zitterte vor
unterdrückter Gefühlsaufwallung.
»Bitte«, sagte Murphy mit
herablassendem Lächeln.
»Scheren Sie sich zum Teufel !« schrie Lavers .
»Ich wollte sowieso eben
gehen«, sagte der Doktor kalt. »Wenn es Sie interessieren sollte — woran ich stärkstens zweifle — , der alte
Jordan war noch keineswegs sehr lange tot, als ich ihn untersuchte. Höchstens
zwei Stunden, würde ich sagen .«
»Dann müßte der Tod also gegen
neun Uhr heute abend eingetreten sein«, sagte ich.
»Das könnte stimmen — Williams sagt, er sei gegen Viertel nach neun
zurückgekommen und der Mörder sei noch immer da gewesen .«
»Ich werde Ihnen am Morgen das
Kaliber des Geschosses mitteilen«, sagte Murphy, während er auf die Tür zuging.
»Vorausgesetzt, daß Sie mich nett und höflich danach fragen.« Die Tür schloß
sich sanft hinter ihm.
Lavers blickte mich eine Weile düster
an. »Lassen Sie uns zu unseren Tatsachen zurückkehren, Lieutenant — sofern ich
Sie nicht mit diesen ermüdenden Details langweile ?«
»Sie sind nahe daran, mich zu
langweilen — aber nicht mit Details, Sheriff«, beruhigte ich ihn. »Vergessen
Sie nicht, daß die eine Leiche erst heute früh gefunden wurde — und daß wir nun
innerhalb von vierundzwanzig Stunden einen zweiten Mord haben. Das hat uns
nicht viel Zeit gelassen, allzu viele Tatsachen, detailliert oder nicht, zu
sammeln .«
»Widerwärtig !« krähte Lavers plötzlich triumphierend. »Das war das
Wort, mit dem ich Murphy bezeichnen wollte. Wenn ich mir’s recht überlege, paßt es auch auf Sie recht hübsch, Wheeler !«
»Sheriff«, sagte ich bedächtig,
»es ist später, als mir lieb ist, und ich habe einen langen harten Tag hinter
mir. Also wollen wir vielleicht keine Zeit mehr damit verschwenden, uns
gegenseitig Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Sie haben Polnik den ganzen Tag über nach Tathinweisen suchen lassen und ich habe mich nach
Verdächtigen umgesehen. Allzuviel Handfestes haben
wir bis Jetzt nicht. Aber ein paar Verdächtige. Und
ein paar Motive. Und wir haben einen zweiten Mord. Stimmt’s ?«
»Stimmt«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher